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DDR-Experiment beschäftigt Fischer noch heute DDR-Experiment beschäftigt Fischer noch heute: Marmor- und Silberkarpfen Bleie und Güster landen in Biogasanlagen

Von Anja Sokolow 26.07.2015, 07:16
Karpfen liegen am Hüttenwerk in Peitz beim traditionellen Fischfang zum Abtransport bereit.
Karpfen liegen am Hüttenwerk in Peitz beim traditionellen Fischfang zum Abtransport bereit. dpa Lizenz

Potsdam/Töplitz - Etwa 2.300 Tonnen Fisch aus Brandenburgs Gewässern sind in den vergangenen drei Jahren an Zootiere verfüttert oder in Biogasanlagen verwertet worden. Dabei handelte es sich um Marmor- und Silberkarpfen, Bleie und Güster, wie aus einer Antwort von Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage hervorgeht. „Es ist eigentlich ein Frevel, so viel Fisch zu entsorgen. Doch er ist nicht zu vermarkten“, erklärt der Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes, Lars Dettmann.

Die Karpfen sind Relikte aus der DDR. „Man hat sie damals aus Südostasien eingeführt und hier in großen Mengen angesiedelt“, erläutert Dettmann. Ziel sei es gewesen, mit ihrer Hilfe der vielen Algen und Wasserpflanzen in besonders nährstoffreichen Gewässern Herr zu werden und gleichzeitig hochwertiges Fischeiweiß für die Bevölkerung zu produzieren. Doch diese Ziele seien verfehlt worden. „Die Leute wollten den Fisch nicht“, berichtet Dettmann.

Keine genauen Dokumentationen aus der DDR

Anders als etwa in den USA, wo diese Karpfen teilweise zu einer regelrechten Plage geworden ist, pflanzen sie sich hierzulande nicht fort. Oftmals werden die hierzulande kühleren Temperaturen als Ursache vermutet. Doch der genaue Grund sei unklar, sagt der Direktor des Instituts für Binnenfischerei in Potsdam-Sacrow, Uwe Brämick. Die Temperaturunterschiede zu den für die Fortpflanzung wichtigen Zeiten seien nur gering, sagt der Experte.

In wie vielen Gewässern Brandenburgs die unerwünschten Karpfen vorkommen, sei schwer zu sagen, da es keine genauen Dokumentationen aus der DDR gibt. Brämick schätzt ihre Zahl auf etwa 50. In den 1980er Jahren habe man begonnen, die Fische auszusetzen. „Wenn die Wende nicht dazwischengekommen wäre, würde es heute einen weitaus flächendeckenderen Bestand geben“, sagt der Experte.

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Anders verhält es sich mit Bleien und Güstern: Sie seien zwar einheimische Fische, doch wegen der hohen Nährstoffgehalte in den Gewässern vermehrten sie sich oft zu stark, erklärt Dettmann. Das Nahrungsangebot sei aber wiederum nicht ausreichend für ein normales Wachstum. Die Folge seien große Massenbestände kleinwüchsiger Fische, die auch von Hecht und Zander nicht zu dezimieren seien. Da an solchen Bleien und Güstern kaum Fleisch sei, seien sie auch kaum zu verkaufen, sagt der Fischer. Der Güster ist aber ohnehin kein beliebter Speisefisch. Außerdem ist es aus laut Brämick ungünstig für das ökologische Gleichgewicht in einem See, wenn einige wenige Fischarten dominieren.

Fast 700.000 Euro aus der Fischereiabgabe wurden 2012 bis 2014 für die Entnahme und Entsorgung unerwünschter Bestände an Fischereibetriebe bezahlt. Pro Kilo Fisch waren das 30 Cent. Der Fragesteller und Grünen-Abgeordnete Benjamin Raschke forderte, das Geld eher für Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerökologie und somit der Lebensgrundlagen der Fische zu verwenden.

Alternativen zur Entsorgung

Die Entnahme der Fische gehöre aber durchaus zur Hege der Gewässer, betont Dettmann. Nach den Worten Brämicks werden die Fischer auch in den kommenden Jahren damit zu tun haben - vor allem mit Bleien und Güster. Denn während bei den Karpfen ein Ende absehbar sei, vermehrten sich diese heimischen Arten immer wieder schnell.

Laut Dettmann gab es bereits verschiedene Versuche, Alternativen zur Entsorgung zu suchen. „Wir haben zum Beispiel überlegt, die Fische in Kiel zu Fischmehl verarbeiten zu lassen“, berichtet er. Doch die Kühlung und der lange Transport seien unwirtschaftlich. Die Verarbeitung zu Fischbouletten und das Räuchern wären weitere Möglichkeiten. Wegen der großen Mengen an Fisch zu wenigen Zeitpunkten im Jahr sei aber auch diese Variante ungünstig.

„Wenn ein Fischer an einem Tag 200 Kilo dieser Fische hat, kann er sie gar nicht so schnell verarbeiten“, sagt Dettmann. Daher sehe er vorerst nur die Möglichkeit der Entsorgung. Zumindest in seinem Gebiet, der Havel, habe sich die Entnahme ausgezahlt. Die Wasserqualität sei besser geworden. (dpa)