Craig Venter Craig Venter: Visionär und treibende Kraft der Genforschung

New York/dpa. - Der Amerikaner Craig Venter hat mehr Gene geknackt als irgendein anderer Forscher der Welt. Richtig berühmtwurde er aber erst, als er den «Goliath» der Genomforschung mit einemBruchteil von Mitteln einholte. Ein ganzes Jahrzehnt hatte das HumanGenome Project (HGP), ein internationales Forscherkonglomerat mitdeutscher Beteiligung, schon an der Blaupause vom menschlichen Erbgutgearbeitet, als Venter im Bild erschien. Mit superschnellen Maschinenüberholte er die Forscher vom HGP bald und lief zwei Jahre späteroffiziell Kopf an Kopf mit ihnen im Ziel ein.
Am Donnerstag (14.3.) wird der 54-jährige Molekularbiologe fürseine Verdienste mit dem Paul-Ehrlich und Ludwig-Darmstaedter-Preis2002 geehrt. Viele glauben, dass ihm eines Tages der Nobelpreisfolgen wird. Venter hatte 1995 als erster das Erbgut eines Organismuskomplett entschlüsselt. Dem Erreger Haemophilus influenzae folgteHelicobacter pylori, bakterielle Ursache der meisten Magengeschwüre,sowie der Syphilis-Erreger. Parallel zum Genom des Menschen dröselteVenter die genetischen Baupläne der Fruchtfliege Drosophila und derMaus auf. Beide sind wichtige Modelle für die Suche nach den Wurzelnmenschlicher Krankheiten.
Dass er trotz seiner bahnbrechenden Erfolge als Enfant terribleder Genforschung gilt, hat vor allem einen Grund. Venter wählte diefreie Wirtschaft, um schneller voranzukommen. Nach seinem Start beiden Nationalen Gesundheitsforschungsinstituten (NIH) in Bethesdagründete er das private Institut für Genomforschung «TIGR» undverdiente sich mit der Jagd nach Genen eine goldene Nase. 1999 gab erdas Institut an seine Frau Claire Fraser ab, ebenfalls eine bekannteMolekularbiologin. Er hob Celera Genomics in Rockville (Maryland) mitaus der Taufe, die Firma, die ihm den Homo sapiens zu dekodierenhalf. «Celera» heißt im Lateinischen «schnell» oder «eilig».
Doch Venters Rechnung ging nicht auf. Anfang des Jahres sah ersich gezwungen, das Amt als Geschäftsführung und Präsident von Celeraniederzulegen. Seine brillante Forschung erzielte keine brillantenProfite. Für den Erwerb der superschnellen Maschinen hatte Venter dasGeld von Investoren gebraucht, die ihrerseits nach Gewinnenverlangten. Celeras Aktie stieg von 25 auf mehr als 150 Dollar, gababer auch wieder nach. Die Fülle genetischer Daten, die dasUnternehmen zum Abonnementspreis verkaufte, war weniger attraktiv fürdie Industrie als erwartet. «Es war so, als bekämen wir Tausende vonVokabeln vorgesetzt, ohne ihre Bedeutung zu erfahren», erläuterte einPharmasprecher.
Venters Vision, den Weg zu «maßgeschneiderten» Medikamenten zuebnen, war nicht ohne weiteres zu verwirklichen. Außerdem hattenBiotechfirmen schon «Rosinen» aus dem Erbgut des Menschen gepickt undan die Industrie vergeben. Vor allem aber stellt das öffentlichfinanzierte HGP seine Daten kostenlos ins Internet. Venter kehrteinzwischen zu «TIGR» zurück und leitet bei Celera nur noch dieForschung.
Privat war der gebürtige Kalifornier immer ähnlich unkonventionellund ungeduldig. In der Schule weigerte Craig sich, Klassenarbeiten zuschreiben, und wurde wegen mangelnder Disziplin ständig zur Räsongerufen. Später zog er es vor, drei Jahre in Kalifornien zu surfen,statt eine Ausbildung zu machen - bis der Vietnamkrieg dem ein Endesetzte. Als Sanitäter im Hospital der US-Navy in Danang verarzteteVenter verwundete Landsleute. «Vietnam hat ihn geändert», sagt seineFrau. «Es hat ihm den Gedanken eingeprägt, dass Zeit wertvoll ist,dass jede einzelne Minute jedes einzelnen Tages zählt».
Aus dem Krieg zurück, beschloss er, Arzt zu werden und in derDritten Welt zu arbeiten. In nur sechs Jahren absolvierte er dasStudium, veröffentlichte eine Reihe von Arbeiten und promovierte.Dann jedoch kam er zu der Überzeugung, dass er mit der Suche nach derGenetik von Krankheiten mehr Menschen helfen könne, als in einerArztpraxis.