Catering Catering: Der Rock'n' Roll-Fleischer bei den Rolling Stones
Leipzig/MZ. - Es ist wieder soweit, die Rolling Stones reisen durch Europa und feiern mit ihrer "Licks World Tour" den Mythos von Sex, Drugs and Rock’n’ Roll - sie feiern sich selbst. 40 Jahre nach ihrer ersten Single-Veröffentlichung zeigten die einstigen Rebellen gestern auf der Leipziger Festwiese, dass sie trotz Erreichen der Kukidentphase ihres Rockerlebens noch alles draufhaben: Mick Jaggers Storchengang auf der Bühne, Keith Richards legendären Gitarrensound, Ron Woods bluestrockene Soli und Charlie Watts minimalistisches Schlagwerk. Das alles hübsch verpackt in eine Pyro-, Licht- und Videoshow.
Während die Stones Hits wie "Jumping Jack Flash" und "Brown Sugar" rocken und die mehr als 70000 Fans toben und um "Satisfaction" betteln, nimmt einer zwischen Jaggers Snooker-Container und der Tour-VIP-Lounge eine Auszeit und legt die Füße hoch. Tino Deparades Job ist vorerst erledigt. Der Fleischermeister aus Halle, den sie alle nur "Deppich" nennen, ist mit seinem Partyservice zuständig für das Catering während des Showauf- und abbaus, versorgt die Teams mit drei Mahlzeiten am Tag.
"Seit fünf Tagen bin ich hier am Start. Fünf Uhr morgens geht es los, 23 Uhr habe ich Feierabend", so Deparades. Dass dies schlaucht, sieht man dem 34-Jährigen an. Mit langen schwarzen Haaren, gestutztem schwarzem Vollbart, schwarzem T-Shirt und natürlich schwarzer knielanger Cargo-Hose sieht der Hallenser augenblicklich selbst wie ein gestresster Düster-Rocker aus.
Doch Durchhängen können der Rock’n’Roll-Fleischer und seine siebenköpfige Catering-Crew sich in diesen Tagen nicht leisten. Bis zu 80 so genannte "Locals", lokal zum Konzertaufbau hinzugebuchte Bühnenbauer, Staplerfahrer und Elektriker sowie Teile der 265 Mann starken englischen Tour-Mannschaft wollen in ihren kurzen Pausen gut und reichlich essen. Die Stones selbst fliegen allerdings ihre eigene Catering-Crew ein. "Es gibt bei mir deutsche Küche. Schnitzel und vor allem jede Menge Salate sind der Renner. Auch den Tommies schmeckt’s", sagt Deparade und enthauptet mit gekonntem Messer-Hieb eine weitere Großpackung Nudeln. In seinem Küchenzelt herrscht reges Kommen und Gehen. Überall tröten Sprechfunkgeräte, schrillen Handys, wird englisch gewitzelt und deutsch geflucht. "Ich mag diese ganze Atmosphäre", hebt Deppich an und wird sofort unterbrochen. Ein Notfall. Die eisgekühlten Getränke, die hinter der Bühne für die "Hands", die Bühnenarbeiter, bereitstehen, gehen zur Neige und die Becher sind auch aus. Er ruft einem Helfer ein paar kurze Anweisungen zu und macht sich auf den Weg.
Die Bühne, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch im Aufbau, ist gigantisch. Eine Konstruktion, die einem Raumschiff gleicht, 54 Meter breit, 25 Meter hoch und 26 Meter tief. Dazu kommen auswechselbare Hintergrundelemente und eine 600 Quadratmeter große, schwenkbare Videowand. "Mit drei dieser Monsterbühnen sind die Stones unterwegs. Eine wird gerade aufgebaut, eine wird abgebaut und eine ist "on the road." Deppich weiß Bescheid, das technische Know-How hat ihn schon immer interessiert. Die herumwuselnden Staplerfahrer, Bühnenarbeiter und Industriekletterer wissen aber auch Bescheid. Zumindest wer Deppich ist. Alle winken und grüßen, als der Küchen-Chef sich seinen Weg zur Bühne bahnt. Ein wichtiger Mann eben, der über Salz und Pfeffer herrscht, und die Jungs bei ihrem harten Job kulinarisch bei Laune hält.
Das Problem mit den Getränken ist schnell geklärt. Die leeren 18-Liter-Cola-Bomben werden ausgetauscht. "Das Konzert hier ist das Gigantischste, was ich beim Rock-Catering bisher gesehen habe. Tina Turner kommt da nicht mit, die Böhsen Onkelz schon gar nicht", sinniert Deppich. Die Kosten dafür müssen immens sein, die Gewinnerwartung allerdings auch. Die Karten für das Leipziger Konzert bewegten sich zwischen 80 und 116 Euro. 65000 wurden davon im Vorverkauf abgesetzt.
"Angebot und Nachfrage scheinen zu funktionieren. Die Leute wollen die Stones sehen", stellt Deppich fest. Und er selbst? Deppich lacht, "Ja, klar. Aber mir sind AC DC lieber." Schade sei nur, dass die hardrockenden Co-Headliner aus Australien in der Werbung etwas untergegangen sind.
Aber egal, von den Bands bekommt er sowieso nicht viel mit. Nach dem Abbau der Konzertbühne wird er 1600 Getränkeflaschen und 950 Portionen Frühstück ausgereicht sowie 1870 Portionen warmes Essen gekocht haben. Das wieder einmal gepackt zu haben, freut den Rock’n Roll-Fleischer und lässt ihn schon das nächste Ziel ins Auge fassen: Catering für seine Lieblingsband Metallica. "Die kommt demnächst nach Ferropolis!"