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Bundessozialgericht Bundessozialgericht: Psycho-Opfer geht leer aus

Von CHRISTIAN RATH 07.04.2011, 18:17

KASSEL/MZ. - Geklagt hatte die heute 60-jährige Sozialpädagogin Ursula B. aus Bremerhaven. Im Jahr 2001 lebte sie für einige Monate in einer Beziehung mit einem alkoholkranken Mann. Nach der Trennung stellte ihr der enttäuschte Liebhaber jahrelang nach, teilweise jeden Tag. Ständig rief er an, stand vor dem Haus oder schickte Polizei, Feuerwehr, Schlüsseldienste und Bestattungsunternehmen zu Ursula B. Zudem drohte er immer wieder mit Gewalttaten, auch gegenüber ihren erwachsenen Kindern oder an ihrem Arbeitsplatz, einem Behindertenheim.

Der Psycho-Terror hörte erst auf, als der Stalker 2005 für acht Monate in Haft musste und eine Alkohol-Therapie begann. Zuvor hatte er alle polizeilichen Ermahnungen und Annäherungsverbote ignoriert. Am Ende war Frau B. mit den Nerven am Ende. Sie leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und ist nicht mehr arbeitsfähig. Seitdem erhält sie eine Erwerbsunfähigkeitsrente der Rentenversicherung.

Zusätzlich stellte B. 2005 den Antrag auf Leistungen nach dem Opfer-Entschädigungsgesetz (OEG). Sie würde dann eine kleine zusätzliche Beschädigtenrente von rund 250 Euro erhalten sowie einen gewissen Ausgleich für Einnahmeausfälle im Beruf. Bezahlen müsste dies das Land Bremen. Das Bremer Versorgungsamt lehnte den Antrag jedoch ab. Nur die Opfer eines "tätlichen Angriffs" könnten mit Opferrenten rechnen. Dagegen argumentierte Sonja Briesenick, die Anwältin des Opfers: "Die permanente und bedrohliche Präsenz eines Stalkers führt zu Dauerstress und kommt einer Körperverletzung gleich." Immerhin sei Stalking seit 2007 auch explizit strafbar.

Nach wechselnden Urteilen in den Vorinstanzen entschied das BSG nun: "Gewaltlose, insbesondere psychische Einwirkungen auf das Opfer reichen nicht aus", so die Richter. Auch die Drohung mit Gewalt sei nur dann als tätlicher Angriff anzusehen, wenn die Gewaltanwendung "unmittelbar bevorsteht". Das Urteil dürfte Diskussionen über eine Änderung des Opferentschädigungsgesetzes auslösen. Zuständig ist Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Aktenzeichen:
B 9 VG 2 / 10 R