Buch klärt über Schülerrechte auf

Hannover - Es soll ein Aufklärungsbuch sein, keine Kampfansage: „Was Lehrer nicht dürfen!”, heißt das Buch, mit dem zwei junge Männer und ein Rechtsanwalt einigen Wirbel ausgelöst haben.
2015 erschien es zunächst im Selbstverlag, jetzt bringt Ullstein eine Neuausgabe heraus. „Vor einem Jahr verkauften wir gleich in der ersten Woche über 1000 Exemplare, ohne Werbung. Jetzt haben wir mehr als 230 000 Facebook-Freunde”, sagt Initiator Dallan Sam (20), ein Schüler aus Celle. „Es ist eine Marktlücke, die wir gefüllt haben”, sagt sein Geschäftspartner Fernando Rode, der sich nach Abschluss der Schule in Sankt Augustin am Rhein selbstständig gemacht hat.
Die beiden sind Facebook-Kumpel und teilen schlechte Erfahrungen mit Lehrern. Sam kennt drei Schulformen von innen. „Was auf der Hauptschule abging, war oft nicht in Ordnung”, sagt der 20-Jährige, der jetzt sein Abitur am Wirtschaftsgymnasium machen möchte. „Aber ich dachte immer, Lehrer ist Lehrer. Was er sagt, ist Gesetz.”
„Antworten auf die 50 wichtigsten Schülerfragen inklusive der dazugehörigen Paragrafen”, verspricht das Werk vollmundig. Als Experten gewann das Duo Rolf Tarneden (42) aus Hannover. Der Jurist ist überzeugt davon, dass die meisten Schüler ihre Rechte gar nicht kennen. „Viele Fragen aus dem Buch werden massenhaft in Internet-Foren diskutiert. Aber kaum einer weiß die richtige Antwort”, sagt Tarneden, selbst Vater von vier Kindern. „Das war für uns ein wichtiger Anreiz, das Buch zu schreiben.”
„Darf mich mein Lehrer anschreien?”, „Darf er mein Smartphone länger als 24 Stunden einkassieren?”, „Darf mein Lehrer mir das Trinken verbieten?” - das sind nur 3 der 50 Fragen. Häufig empfehlen die Autoren, den Streitpunkt in der Schulordnung nachzuschauen oder im direkten Gespräch mit dem Lehrer zu regeln. Auf die Frage „Darf ein Lehrer mich einsperren?” gibt es dagegen eine eindeutige Antwort. Freiheitsberaubung ist nach Paragraf 239 Strafgesetzbuch strafbar. Am Amtsgericht Neuss wird derzeit einem Musiklehrer der Prozess gemacht, weil er Schüler am Verlassen des Raumes gehindert und zudem einem Jungen in den Bauch geschlagen haben soll.
Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, betont aber: „Die meisten Streitigkeiten werden friedlich, kooperativ und schulintern geregelt - durch den Einsatz pädagogischer Mittel unter Beteiligung von Schülern, Eltern und Lehrern.”
Auch der Chef des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, beobachtet: „Die große Mehrheit der Eltern versucht nach wie vor Konfliktfälle nicht gerichtlich, sondern im Austausch mit der Schule zu klären.” Es gebe jedoch eine Elternklientel, die versuche, Druck aufzubauen und sich etwa bei einer Nichtversetzung das vermeintlich schwächste Glied, also den unerfahrenen Junglehrer, heraussuche. In solchen Fällen müsse die Schule standhaft bleiben.
Für Schüler, die ihre Rechte gerichtlich durchsetzen wollen, gibt es aus der Sicht von Anwalt Tarneden zu hohe Hürden. Der Rechtsschutz im Schulrecht sei reformbedürftig, sagt der Buchautor. So seien Verfahren für Jugendliche beispielsweise im Bafög-Recht und vielen Jugendstrafverfahren gerichtskostenfrei. Bei einer Klage gegen ein Zeugnis müsse ein Schüler dagegen sofort mehr als 400 Euro an Gerichtskosten überweisen. Zudem könne etwa die Hälfte aller Zeugnisse gar nicht gerichtlich überprüft werden.
Schulrecht ist Ländersache. Die Kultusministerkonferenz will zu dem Thema nicht Stellung beziehen, weil es nach Auskunft eines Sprechers kein einheitliches Meinungsbild gibt. Aber selbst aus Lehrersicht gibt es Reformbedarf. „Aufgrund des bundesweiten Lehrermangels wird die Mobilität der Lehrkräfte immer wichtiger”, sagt VBE-Chef Beckmann. „Das Schulrecht unterscheidet sich jedoch von Bundesland zu Bundesland teilweise gravierend. Hier muss angesetzt werden.”
Dallan Sam, Fernando Rode, Rolf Tarneden: „Was Lehrer nicht dürfen!”, Ullstein, 112 Seiten, ISBN-13 9783548376684, 9,99 Euro. (dpa)