Brühler Zugunglück Brühler Zugunglück: Prozess wegen «geringer Schuld» eingestellt

Köln/dpa. - Die Angeklagten, darunterder 29-jährige Lokführer, räumten in einer Schlusserklärunglediglich ein, «in ihrer Gruppe Fehler» gemacht zu haben, die zu demUnglück «beigetragen» hätten. Da sie kein ausdrücklichesSchuldeingeständnis abgaben, waren die Vertreter der Nebenklägergegen die Einstellung des Verfahrens. Ihre Zustimmung ist lautProzessordnung auch nicht nötig.
Am 6. Februar 2000 war der Nachtzug Amsterdam-Basel im Bahnhofvon Brühl bei Köln an einer Weiche entgleist. Der Lokführer hattevor dem Bahnhof auf 122 Stundenkilometer beschleunigt, obwohl wegeneiner Baustelle nur Tempo 40 erlaubt war. Der Triebwagen raste inein Haus direkt am Bahnhof. Die Bahn hatte nach dem UnglückKonsequenzen gezogen und Maßnahmen zur Verbesserung derSicherheitsstandards beschlossen. Daher bestehe kein öffentlichesInteresse an einer weiteren Strafverfolgung mehr.
Schon während des Prozesses hatte der Vorsitzende Richter HeinzKaiser «Fehlentscheidungen und Missstände» bei der Bahn mehr alseinmal fassungslos zur Kenntnis genommen. Zuschauer im Gerichtssaalverfolgten zeitweise entsetzt die Schilderungen von Angeklagten undZeugen. So gab es etwa eine falsche schriftliche Anweisung, die 120Stundenkilometer in der Baustelle zuließ. Vor allem bei der Bahn inKöln seien «Schwachstellen» zu Tage getreten, hieß es am letztenProzesstag.
Die Deutsche Bahn AG teilte mit, sie habe das Unglück in Brühlsorgfältig untersucht und den Prozess aufmerksam verfolgt. Die dabeigewonnenen Erkenntnisse seien analysiert und in einem vorläufigenMaßnahmenkatalog dokumentiert worden. So werde dieLokführerausbildung erweitert; Mitarbeiter, die etwa fürLangsamfahrstellen zuständig sind, würden zusätzlich qualifiziert.Insgesamt seien erweiterte Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmenvorgesehen.
Den vier Angeklagten - Lokführer und drei Bahnbedienstete -machte das Gericht lediglich zur Auflage, Geldbeträge zwischen 7000und 20 000 Mark (3579 und 10 226 Euro) an gemeinnützigeInstitutionen zu zahlen. Damit gelten sie nicht als vorbestraft,eine Verfahrenseinstellung sei aber auch «kein Freispruch». Der 29Jahre alte Lokführer und die drei anderen Bahnbeschäftigten warenwegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzungangeklagt worden. Dem 29-Jährigen bescheinigte ein Psychiater einenstarken Leidensdruck. Wegen Suizidgefahr musste er in einer Klinikbehandelt werden. Die Höhe der Geldauflagen richtete sich nicht nachder jeweiligen Schuld der Angeklagten, sondern nach deren Einkommen.So muss der junge Lokführer 7000 Mark an die SOS-Kinderdörferbezahlen.