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Brauchtum Brauchtum: Die Wolferer sind wieder los

09.11.2005, 12:51
Ein Wolf verteidigt am 20.7.2002 im Wildpark Bad Mergentheim mit gefletschten Zähnen seine am Boden liegende Beute (Foto: dpa)
Ein Wolf verteidigt am 20.7.2002 im Wildpark Bad Mergentheim mit gefletschten Zähnen seine am Boden liegende Beute (Foto: dpa) dpa

Zwiesel/dpa. - Rund 600 Burschen und einige Mädchentreffen sich alljährlich zum «Großen Wolfauslassen», bei dem amKörper fest geschnallte überdimensionale Kuhglocken geläutet werden,unterstützt von pistolenartigem Peitschenknallen, den«Goaßlschnalzern». Diese Nacht der Hirten endet dann regelmäßig amMorgengrauen mit einem Trinkgelage in den Gasthäusern.

Das «Wolfauslassen» ist eines der ältesten noch erhaltenenBrauchtümer im Bayerischen Wald. Zwei Ursprünge machen Forscher fürdas Lärmen der «Wolferer» verantwortlich: die Dämonenaustreibung inder Frühzeit und das Vertreiben von Wölfen und Bären, die einst imdüsteren, urwaldähnlichen Bayernwald hausten und den Hirten das Lebenschwer machten. Die Viehherden waren von den Raubtieren ständigbedroht. So wurden den Rindern Glocken umgehängt, damit sie sichnicht unbemerkt von der Herde entfernen und gerissen werden konnten.Der Hirte schnalzte zusätzlich mit seiner «Goaßl», einerkurzstieligen Peitsche, um die Wölfe abzuschrecken.

Das Weidejahr ging früher an Martini zu Ende. Das Vieh wurde inden Stall getrieben und blieb dort bis zum Georgitag, dem 23. April.Der Name «Wolfauslassen» kommt daher, dass im Winter die Raubtiereauf den Feldern frei herumlaufen konnten, während sie dann imFrühjahr beim «Wolfeintreiben» wieder in die Wälder zurück gedrängtwerden mussten.

Rinchnach ist die Hochburg dieses Brauchtums im Zwieseler Winkel.Am 10. November versammeln sich in der abendlichen Dunkelheit die mitden Glocken behängten Wolferer und ziehen in Gruppen, angeführt vonHirten, von Haus zu Haus, begleitet von den «Goaßlschnalzern». Dasganze Dorf hallt wider von dem Dröhnen der bis zu 35 Kilogrammschweren Kuhglocken, rhythmisches Peitschenknallen kommt hinzu. Vorden ländlichen Anwesen gebietet der Hirte mit seinem Stab dann Ruheund sagt seinen Hirtenspruch auf, dem die Wolferer im Wechselrufantworten: «Buam, seids oisamt do! Geht koana mehr o?» - «Na!» Undanschließend werden kleine Gaben, der frühere Hüterlohn, erwartet,bevor der Zug mit seinem Getöse weiter zieht.

Nach 21.00 Uhr erreicht das «Wolfauslassen» seinen Höhepunkt, wennsich die rund 600 Wolferer nach einem rund zwei Kilometer langenRundweg im Ortskern von Rinchnach zusammenschließen und allegemeinsam die Glocken läuten und die Peitschen schwingen. Nach demohrenbetäubenden Ritual werden die Gasthäuser abgeläutet. Und immerwieder kommt es dann zu «Wolf-Duellen», die nicht selten inhandfeste Raufereien ausarten. In den vergangenen Jahren musste sogardie Polizei anrücken, um die streitsüchtigen Wolferer zu befrieden.Inzwischen hat sich ein regelrechter «Wolftourismus» zum«Wolfauslassen» entwickelt. Wölfe und gar Bären gibt es zwar schonlange nicht mehr, aber das Brauchtum ist durch die Jahrhundertelebendig geblieben.