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Brasilien Brasilien: Häftlings-Revolte beendet

19.02.2001, 19:20

Sao Paulo/dpa. - «Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir noch mehr Leichen finden», sagte der regionale Sicherheitsminister Marco Petrelluzzi. Die Todesfälle und das Vorgehen der Polizei würden untersucht, kündigte er an. Zur Identität der Todesopfer könne man noch keine Angaben machen. Am Abend blieb die Lage vor vielen Anstalten laut Medien auf Grund von Hunderten von protestierenden Verwandten von Insassen, die Informationen zum Schicksal ihrer Angehörigen erhalten wollten, gespannt.

Die Aufständischen gaben nach einem Ultimatum der Behörden auf, die nach Medienberichten mit einer Erstürmung der Anstalten gedroht haben sollen. Die Regierung sei auf die Forderungen der Anführer nicht eingegangen, sagte Petrelluzzi. Die Revolte sei von der Häftlingsvereinigung «Partei des Verbrechens» (PCC) organisiert worden. Die PCC forderte, die Verlegung von zehn PCC-Chefs rückgängig zu machen.

Unter den Geiseln waren vorwiegend Ehefrauen von Insassen, rund 1700 Kinder, fast 200 Wachmänner sowie die in Brasilien berühmte Sängerin Simony, die mit einem Drogenhändler liiert ist. Besonders dramatisch war die Lage in der größten Anstalt Lateinamerikas Carandiru in der Stadt Sao Paulo. Dort waren am Sonntag rund 5000 Besucher von 8000 Insassen als Geiseln genommen worden. Gemeldet wurden Brände und Schießereien zwischen Meuterern und der Polizei.

Rund 1500 Elite-Beamte hatten die Anstalt Carandiru seit Sonntag besetzt gehalten. Über das Vorgehen der Sicherheitskräfte gab es keine übereinstimmenden Angaben. «Auch wir Angehörige wurden da drin geschlagen und gedemütigt», sagte die Hausfrau Leonor. Tränengas sei eingesetzt worden, hieß es. Außerhalb der Anstalten wurden Polizisten auch nach dem offiziellen Ende der Revolten von Verwandten der Insassen als «Mörder» beschimpft und mit Gegenständen beworfen.

Die Behörden beteuerten, die Polizei habe die Insassen nicht angegriffen. Laut Petrelluzzi sind viele der Insassen in Carandiru und in anderen Anstalten mit Pistolen und Messern bewaffnet. Die Revolten seien eine Reaktion auf die Verlegung von zehn PCC-Chefs von Carandiru in andere Anstalten in den vergangenen Tagen gewesen, sagte der Minister. Mit der Verlegung wollte man die Steuerung organisierter Kriminalität aus dem Gefängnis unterbinden.

Sprecher von Menschenrechtsorganisationen wiesen auf die miserable Situation in den völlig überbelegten Gefängnissen Brasiliens hin. Revolten und Zusammenstöße rivalisierender Banden sind dort ebenso an der Tagesordnung wie Misshandlungen der Häftlinge durch das schlecht bezahlte Wachpersonal. In Carandiru schlug die Polizei 1992 einen Gefängnisaufstand brutal nieder. Dabei wurden 111 Häftlinge getötet.