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Brandenburg und Sachsen Brandenburg und Sachsen: Wie eine schwarze Wand

Von ALEXANDER SCHIERHOLZ UND ROMY RICHTER 24.05.2010, 20:32
Ein vom Sturm zerstörtes Dachgeschoss in Mühlberg an der Elbe. (FOTO: DPA)
Ein vom Sturm zerstörtes Dachgeschoss in Mühlberg an der Elbe. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

GROSSENHAIN/MÜHLBERG/MZ/DDP. - Abgedeckte Dächer. Zertrümmerte Autos. Vor dem Rathaus von Großenhain, wo der Krisenstab tagt, steht wie als Mahnung eine schwere Limousine mit eingedrückter Motorhaube und zersplitterter Frontscheibe.

Die 20 000-Einwohner-Stadt in Sachsen ist vom Unwetter am schwersten getroffen: Knapp 50 Verletzte zählt der Krisenstab bis zum Dienstagnachmittag, und auch ein Todesopfer ist zu beklagen: Ein sechsjähriges Mädchen stirbt in einem Auto, auf das ein entwurzelter Baum stürzt.

Gewütet hat der Tornado vor allem in vier zu Großenhain gehörenden Dörfern, am stärksten in Walda-Kleinthiemig. Kein Gebäude in dem 500-Seelen-Ort, das nicht beschädigt ist. "Die Dachziegel stecken im Wohnzimmer zentimetertief in der Wand", schildern Hans und Angelika Springer das Ausmaß der Zerstörung in ihrem Haus: "Alle Fenster sind rausgeflogen." Kaum besser sieht es bei Marika Päsler aus, die mit ihrer Familie seit zwei Jahren im neugebauten Eigenheim in Walda-Kleinthiemig wohnt. Die orangefarbene Fassade sieht aus, als wäre sie stark beschossen worden. Der Tornado habe sich wie eine schwarze Wand genähert, sagt die junge Frau. Plötzlich sei es dunkel geworden, und alles habe sich gedreht. Sie habe dann mit ihrem Mann und ihrer vierjährigen Tochter im Wohnzimmer abgewartet, während die Eisklumpen die dreifach verglasten Fenster durchschlugen. Unweit der Großenhainer Innenstadt reißt der Tornado Teile des Daches und der Wandverkleidung eines Plattenbaus ab - 40 Bewohner müssen vorübergehend in Notunterkünfte umziehen. Schulen und Kindergärten sollen erst am Mittwoch nach Statik-Überprüfungen wieder öffnen.

Wie hoch die Schäden ausfallen werden, ist noch nicht abzuschätzen. Auch im brandenburgischen Mühlberg nicht, wo es stellenweise ebenfalls aussieht wie auf einem Trümmerfeld. Mehr als 80 Prozent aller Häuser in der 2 300 Einwohner zählenden Stadt an der Elbe seien beschädigt, sagt Bürgermeisterin Hannelore Brendel (parteilos). Dennoch spricht Brandenburgs Innenminister Rainer Speer (SPD) vom "zweiten Wunder von Mühlberg". Das erste hatte sich vor acht Jahren ereignet, als beim Hochwasser 2002 die Deiche standhielten. Diesmal ist Mühlberg nicht so glimpflich davongekommen, aber immerhin: Laut Speer ist niemand verletzt worden.

Beim Krisenmanagement könne man von den Hochwassser-Erfahrungen profitieren, sagt Brendel. Damals hätten die Leute sich gegenseitig geholfen, jetzt sei das wieder so. So steht auch Siegfried Wurch vor einem Haus in der Klostergasse und schippt zertrümmerte Dachziegel zusammen. Selber schon 69, sagt er: "Man muss doch den Älteren helfen, die nicht mehr können." Also hat er sich mit Nachbarn ans Aufräumen gemacht. Dabei wäre bei ihm zu Hause auch genug zu tun: "Der Sturm hat die halbe Treppenhaus-Etage weggefegt", erzählt der Mühlberger, groß wie Tischtennisbälle seien die Hagelkörner gewesen. Wurch hat auf die Uhr geschaut: "Nach sieben Minuten war alles vorbei."

Brandenburg und Sachsen haben indirekt auch finanzielle Hilfen für die vom Tornado Betroffenen angekündigt: Man werde dafür einen Weg finden, falls notwendig, sagt Speer. Sein Dresdner Amtskollege Markus Ulbig (CDU) äußert sich ähnlich. Einstweilen ist Mühlbergs Bürgermeisterin Hannelore Brendel froh über die Landesbehörden, die beim Räumen der Straßen helfen. "Wir waren der Meinung, wir hatten hier genug Katastrophen", sagt sie in Anspielung auf das Hochwasser von 2002, "aber das werden wir jetzt auch noch schaffen."

Ein von herabgefallenen Dachteilen zerstörtes Auto steht in Mühlberg an der Elbe. Eine Windhose hatte unter anderem hier heute zahlreiche Dächer abgedeckt und Autos zerstört. (FOTO: DPA)
Ein von herabgefallenen Dachteilen zerstörtes Auto steht in Mühlberg an der Elbe. Eine Windhose hatte unter anderem hier heute zahlreiche Dächer abgedeckt und Autos zerstört. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild