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Biologie Biologie: Weltweit erster Algenwein kommt aus der Ostsee

14.07.2006, 06:17
Meeresforscherin Inez Linke zeigt am Dienstag (11.07.2006) in Kiel eine frische Alge und eine Flasche Algenwein. (Foto: dpa)
Meeresforscherin Inez Linke zeigt am Dienstag (11.07.2006) in Kiel eine frische Alge und eine Flasche Algenwein. (Foto: dpa) dpa

Kiel/dpa. - Für Gourmets ist er bereits letzter Kick anheimischer Küche: Dabei ist der weltweit erste Algenwein eigentlichein Zufallsprodukt. Den herben Tropfen entdeckten KielerMeeresbiologen, als sie einen Tank mit besonders lange gelagertemAlgenextrakt öffneten, an den Sauerstoff gekommen war. «Der duftetewie Sherry und hatte die typisch samtbraune Färbung gereiftenWeines», erinnert sich Inez Linke von der Kieler Firma OceanWellness. «Nach drei Jahren des Experimentierens sitzt jetzt jedePhase der Algenwein-Herstellung», resümiert die Inhaberin vonDeutschlands erster Algenfarm stolz.

400 Meter in der Ostsee - dem bestkontrollierten Binnengewässerder Welt, wie Linke betont - züchtet und erntet Ocean Wellness dieunscheinbare Braunalge Laminaria Saccharina. Diese Ostseealge hat esin sich: Mineralien, Vitamine, Eiweiße, Jod und - der Name Zuckeralgeverrät es - Zucker. Bislang produziert die kleine Firma mit Sitz inKiel Holtenau hochwertige Naturkosmetik und Pflegestoffe aus derMeeresalge. Jetzt soll auch das Gesundheitsgetränk dazu kommen.

«Die Algen werden fermentiert, eingemaischt und gären - mitBakterien- und Hefekulturen versetzt in großen Tanks beiRaumtemperatur», schildert Linke. «Lebensmittelrechtlich undtechnisch gesehen ist das ein Wein, der da in Nordlage entsteht»,schmunzelt sie. Den Namen Wein allerdings macht ihr das OrdnungsamtKiel bereits streitig. Bei einem überraschenden Hausbesuch ließ dieBehörde vorsorglich wissen: Laut EU-Recht dürfe sich nur Wein nennen,was aus Trauben gewonnen sei. Linke will nun ihrerseits prüfen, obeine Sondergenehmigung möglich ist. Immerhin gebe es ja dieZusatzbezeichnung Wein bei Himbeer- oder Erdbeerwein ebenso wie beiWein aus Stachelbeeren, sagt sie.

Die Uni Tübingen nahm den Begriff Algenwein aber schon einmal inihre «Wortwarte» auf. Es sei «eine neue Sache, die einer neuenBenennung bedarf» - und die immerhin 11 bis 13 Prozent Alkoholenthält. Doch ob nun Wein, Algenelixier oder - wie Linke eshilfsweise auch behördenmäßig formuliert: «alkoholhaltiges Getränkauf Algenbasis» - Interesse hat das Produkt schon bei mehrerenSpitzenrestaurants an der Förde und in Hamburg geweckt. Das KielerVier-Sterne-Wellnesshotel «Birke» etwa testete vorab. Dort gehört dieLaminaria nun zur Speisekarte.

Eine Flasche des Getränkes soll den Drei-Wochen-Bedarf einesErwachsenen an Vitalstoffen decken - das entspräche täglich ein biszwei Schnapsgläschen voll, schildert Linke. Dabei soll das Algen-Kraftpaket das Immunsystem stärken, den Darm reinigen und den Körperentschlacken. Der Meeresbiologe Levent Piker sieht weitereMöglichkeiten: «Selbst Geschäftspartner in Grönland haben Interessebekundet. Angesichts leergefischter Meere könnten durch unsereLizenz-Produktion Arbeitsplätze entstehen.» Wie das gehen könnte,zeigt das Beispiel Asien. Meeresalgen sind dort nicht nur festerBestandteil der Speisezettel - Lebensmittel- und Pharmaindustrienutzen sie zu vielerlei Zwecken.

Die Kieler Firma produziert vorerst noch im Kleinen vorEckernförde, rund 400 Meter vom Ufer entfernt. Dort wachsen auf 100mal 100 Metern die Algen in bis zu acht Metern Tiefe. Im Herbst imLabor kultiviert, werden sie im Dezember, wenn das Ostseewasserbesonders klar und nährstoffreich ist, als Babyalgen an langen Leinenausgesetzt. Geerntet wird dann im Mai und Juni durch Taucher. Was siein die Höhe befördern, prüfen Hamburger Lebensmittelchemiker auf Herzund Nieren.

Die Pflegeprodukte auf Algenbasis beschäftigen inzwischen auch dieUni Kiel. An der Hautklinik laufen Studien zur Wirkung derAlgenpräparate. Bei der stark juckenden und quälenden Neurodermitisgibt es vielversprechende Anzeichen, so die Dermatologin ReginaFölster-Holst von der Hautklinik der Kieler Universität. Fachleutehoffen, mit dem Braunalgenextrakt eine schonende Alternative zuherkömmlichen Präparaten zu haben.