Berlin Berlin: Palast der Republik vor dem Ende
Berlin/dpa. - Noch vor nicht allzu langer Zeit erschien ein Abriss als Sakrileg,doch die Diskussion um einen Schlossnachbau - und vielleicht auch dieMacht der Gewohnheit - haben nach Jahren jetzt Wirkung gezeigt. Alsder «Spiegel» am Wochenende berichtete, Bund und Land wollten den«Palazzo Prozzo» weichen sehen, gab es keinen Aufschrei. Und derBerliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ließ erklären, erhabe schon früher einen Abriss vorgeschlagen.
Vor wenigen Wochen hätte der Bau, der als steingewordene Ideologieinmitten der Hauptstadt der DDR errichtet worden war, seinen 26.Geburtstag gefeiert. Zu DDR-Zeiten war «Erichs Lampenladen» trotz derpolitischen Botschaft so beliebt, dass bis zur Schließung 1990 rund70 Millionen Besucher kamen - zu Konzerten, Theateraufführungen,Disco, Bowling, Familienfeiern, zur Verabredung im Foyer, auf einGlas in der Weinstube. Und ab und zu tagten auch die Genossen derVolkskammer in ihrem Saal mit den orangeroten Sitzen.
Mit der Wende wurde die Asbestverseuchung entdeckt, der Baugeschlossen - und die Diskussion begann. Die DDR hatte dort 1950 dasHohenzollern-Schloss sprengen lassen, den Schlossplatz in Marx-Engels-Platz umbenannt und ihn zum Ort des Kampfes der Arbeiterklassedeklariert. Ein möglicher Wiederaufbau des Schlosses galt und giltden einen als Geschichtsklitterung und «Disneyland», den anderen alsfolgerichtige Entscheidung für eine historische Rekonstruktion derBerliner Mitte. Ein schon in den 90er Jahren ins Spiel gebrachterAbriss des Palastes war für viele Menschen aus dem Osten nichts alsAusdruck von «Siegermentalität».
Als die Asbestbeseitigung beschlossen wurde, betonten Bund undLand stets, über Abriss oder Erhalt des Baus sei noch nichtentschieden. Hinter vorgehaltener Hand hieß es schon vor Jahren, nachden Arbeiten bleibe nur noch der Rohbau - «wie Zahnstocher», hieß esdamals aus der Berliner Großen Koalition. Da war das Thema noch sowichtig, dass die PDS mit einer Besteigung der Ruine für deren Erhaltprotestierte - die Feuerwehr rückte an. Zwei Bürgerinitiativenkämpften und kämpfen für den Erhalt - mit Petitionen, Mahnwachen oderUnterschriftensammlungen. Doch je länger die Asbestbeseitigungdauert, desto leiser scheint der Protest zu werden.
Und jetzt? Die Expertenkommission «Historische Mitte» hat nacheinem Jahr Arbeit empfohlen, den Palast abzureißen. Darüber müssensich Bund und Land noch formal einigen - vielleicht auf ihrergemeinsamen Kabinettssitzung an diesem Mittwoch. Ob Berlin seinSchloss bekommt ist indes ungewiss - erst müssten unter anderemFinanzierungsfragen geklärt werden, heißt es. Die Experten habeneinen Nachbau in Schlossdimensionen empfohlen, mitsamt barockerFassade. Wichtigste Funktion der Kombination aus Museum, Bibliothekund Veranstaltungsbereich: Treffpunkt für Menschenmassen wie einstder Palast der Republik.