Berlin Berlin: Lebenslänglich für ehemalige Charité-Schwester

Berlin/dpa. - Wegen fünffachen Mordes an schwer kranken Patientenhat das Landgericht eine ehemalige Krankenschwester der BerlinerCharité zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Landgericht verhängte amFreitag die Höchststrafe gegen die 55-Jährige. «Die Angeklagte hatsich als Herrin über Leben und Tod aufgeschwungen», sagte dervorsitzende Richter Peter Faust in der Urteilsbegründung. «Das wareindeutig keine Sterbehilfe.» Zugleich erntete die renommierte Klinikheftige Kritik, weil die Mitarbeiter und die Verwaltung nicht frühgenug gehandelt hätten.
Die Richter der 22. großen Strafkammer sahen es als erwiesen an,dass die Angeklagte aus niederen Beweggründen und Heimtücke ihrewehrlosen Patienten in den Jahren 2005 und 2006 mit einerMedikamentenüberdosis tötete. Die Staatsanwaltschaft hatte ihr sechsMorde und einen Mordversuch zur Last gelegt. Die Frau hatte zuProzessbeginn vier Taten gestanden. Eigenen Angaben zufolge handeltesie dabei zum Wohle der Patienten. Die Mordserie an Europas größtemUniversitätsklinikum hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt underhebliche Missstände an dem Krankenhaus aufgedeckt. DieKrankenschwester war im vergangenen Oktober verhaftet worden.
Die Berlinerin hatte schwer kranke Patienten im Alter zwischen 48und 77 Jahren auf der Intensivstation der Kardiologie mit einerMedikamentenüberdosis in einer Spritze getötet. Richter Faustbetonte, keiner der Patienten habe Sterbehilfe verlangt. Es seizutiefst verachtenswert, zu töten, weil man es in dem Moment fürrichtig halte. Die 55-Jährige habe mit Sicherheit nicht aus Mitleidfür die Patienten gehandelt. Ihr Motiv sei dennoch unklar geblieben.Eine Schwere der Schuld besteht nach Ansicht des Gerichtes nicht.Damit könnte die 55-Jährige nach 15 Jahren aus der Haft entlassenwerden. Rechtsgültig ist das Urteil noch nicht. Beide Seitenkündigten Revision an.
In seiner Urteilsbegründung übte der Richter ungewöhnlich harscheKritik an dem Klinikum. «Es gab Mängel in der Charité - das istoffensichtlich», sagte Faust. Mitarbeiter der Intensivstation hätteneinen ruppigen Umgang in Worten und Taten mit Patienten gesehen. «Dasist nicht nur erbärmlich, das ist eindeutig Gewalt und strafbar»,sagte Faust. Eine Verwaltung, die das zulasse, mache sichgegebenenfalls strafbar. «Die Protagonisten und Beobachter sindungeeignet für ihre Arbeit und gehören entfernt», sagte Faust.
Das gleiche gelte für die Menschen, die einen so «ungeheuerlichenVerdacht» nicht sofort angezeigt hätten. Die hier agierendenMitarbeiter der Klinik hätten freiwillig die Verantwortung für diePatienten übernommen. «Wenn sie das nicht wollen, müssen sie sich woanders einen Job suchen.»
Während des Prozesses war klar geworden, dass interne Probleme inder Charité ein früheres Ende der Mordserie verhindert hatten. Sosagten Zeugen aus, dass die Krankenschwester zwar schon einige Zeitvor ihrer Verhaftung unter Verdacht geraten war. Das Pflegepersonalhatte das Gerücht aber erst für sich behalten, bevor es dieStationsleitung informierte. Mit fatalen Folgen: Die Krankenschwesterbrachte in dieser Zeit drei weitere Patienten um. Die Charité hat alsKonsequenz aus dem Fall eine Art Frühwarnsystem eingerichtet.
Zunächst waren der Angeklagten neben den Morden zwei Mordversuchezur Last gelegt worden. Wegen eines Mangels an Beweisen plädierte dieStaatsanwältin jedoch auf sechsfachen Mord und lediglich einenMordversuch. Das Gericht sprach die Frau nun wegen Mordes in fünfFällen schuldig.