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Belgien Belgien: Mitangeklagte widersprechen der Aussage von Dutroux

03.03.2004, 12:39
Marc Dutroux steht als mutmaßlicher Kinderschänder vor Gericht. (Foto: dpa)
Marc Dutroux steht als mutmaßlicher Kinderschänder vor Gericht. (Foto: dpa) BELGA

Arlon/dpa. - In dem Prozess geht es um die Entführung von sechs Mädchen, von denen vier in der Gefangenschaft starben.

Dutroux bezeichnete den Mitangeklagten Michel Nihoul bei seinerersten Vernehmung als Auftraggeber und Chef eines pädophilenNetzwerks. Als Hauptbeschuldigter im Mädchenmordprozess räumteDutroux ein, zwei überlebende Minderjährige sexuell missbraucht zuhaben. Sein Kellerverlies für die entführten Mädchen will Dutroux nurangelegt haben, um die Mädchen vor «Nihouls Netzwerk» zu schützen.Nihoul bestritt, mit den Entführungen etwas zu tun zu haben.

An der Entführung von An und Eefje im Sommer 1995 waren Dutrouxzufolge zwei ihm unbekannte Männer beteiligt, die sich später alsPolizisten oder andere Ordnungshüter entpuppt hätten. DerMitangeklagte Michel Lelièvre blieb aber bei der Version, nur erselbst habe Dutroux dabei geholfen. «Man sieht daran, wie wichtigeine Rekonstruktion der Entführung ist», sagte Paul Marchal, Vaterder gestorbenen An.

Dutroux sagte, die Kinder seien ihm sympathisch gewesen und ansHerz gewachsen. «Ich finde es im Übrigen sehr bedauerlich, dass dieMädchen gestorben sind. Das ist eine Katastrophe», fügte dervorbestrafte Vergewaltiger hinzu. Auch seine früheren Verurteilungenseien zu Unrecht geschehen, sagte er.

Dutroux gab zu, mehrere Mädchen in deren Gefangenschaft sexuellmisshandelt zu haben. «Ich habe Laetitia missbraucht in der bekanntenForm», sagte Dutroux über ein Mädchen, das die Qualen überlebte undvoraussichtlich Anfang April vor Gericht aussagen soll. Auch dieMitgefangene Sabine Dardenne, die 80 Tage in dem Keller eingesperrtwar, habe er auf Bestellung Nihouls entführt.

Die beiden achtjährigen Kinder Julie und Mélissa seien ihmgebracht worden, bekräftigte Dutroux. Er sei nach Hause gekommen, undNihoul, Lelièvre, der später getötete Komplize Bernard Weinstein undseine Frau Michelle Martin hätten mit den Kindern im Wohnzimmergesessen. Seine Frau habe gesagt, die Mädchen seien entführt wordenund müssten für einige Zeit in seinem Haus untergebracht werden. Erstdanach habe er von dem Netzwerk Nihouls erfahren. «Damals wusste ichnicht einmal, was ein Pädophiler ist», sagte Dutroux.

Lelièvre sagte hingegen, er habe Julie und Mélissa nie zu Gesichtbekommen. Dutroux' Ex-Frau Michelle Martin erklärte, ihr Mann habedie beiden Kinder mit seinem Komplizen Bernard Weinstein entführt.Dutroux habe ihr damals gesagt: «Die beiden Mädchen - das warenBernard und ich.»

Dutroux warf seiner Ex-Frau in der mit Spannung erwartetenVernehmung durch den Vorsitzenden Richter Stéphane Goux vor, imAuftrag eines Polizeispitzels später auch Weinstein getötet zu haben.Für Martin war Dutroux der Täter: «Ich sah, wie er das Schlafpulverin die Butterbrote tat», sagte sie. Nach Erkenntnissen der Ermittlerwurde Weinstein betäubt und bei lebendigem Leibe begraben.

Dutroux behauptete, er habe Julie und Mélissa - wie auch diespäter entführten Teenager Laetitia Delhez und Sabine Dardenne - inseinem Keller vor Nihouls Netzwerk beschützen wollen. Sie seien dortverhungert, während er für 105 Tage wegen eines anderen Falls in Haftsaß. Bisher hatte Dutroux stets erklärt, die beiden Kinder seien sehrschwach aber noch am Leben gewesen, als er wieder nach Hause kam.

Am Mittwoch erklärte er nun, Michelle Martin habe die Kinder nichtausreichend mit Nahrung versorgt. Er habe bisher eine andere Versiondes Geschehens gegeben, um seine Frau zu schützen. «Ich will meinenTeil der Verantwortung tragen», erklärte der 47-Jährige abschließend.

Martin weinte während Dutroux' Ausführungen. Später sagte sie:«Ich war nicht in der Lage, mich um Julie und Mélissa zu kümmern.»Sie habe auch keine Erinnerung an ihren Besuch in dem Haus mit demKellerverlies. «Ich lebte nicht mehr in der Wirklichkeit», erklärteMartin. Als einzige Angeklagte sprach sie den Eltern der getötetenund entführten Kinder ihr «unendliches Bedauern» aus.

Der Fall Dutroux (Grafik: dpa)
Der Fall Dutroux (Grafik: dpa)
dpa