Beinahe-Desaster bei Bruchlandung in London
London/dpa. - Um Haaresbreite sind mehr als 150 Insassen einer Maschine der British Airways am Donnerstag in London einer Katastrophe mit möglicherweise vielen Toten entgangen.
Die geschockten Passagiere und Mitglieder der Besatzung an Bord der Boeing 777 erlebten eine dramatische Bruchlandung auf dem Flughafen London-Heathrow. Eine der Tragflächen, in denen die Flugbenzintanks untergebracht sind, wurde vom Fahrwerk durchbohrt. Dennoch blieb eine Explosion aus.
Rund 20 Insassen des Großraum-Jets, unter ihnen mindestens vier Mitglieder der Kabinencrew, wurden verletzt. Wie durch ein Wunder jedoch nur leicht. «Wir hatten enormes Glück im Unglück», erklärten Insassen des Großraumflugzeugs. Nach Angaben des Senders BBC unter Berufung auf Flughafenmitarbeiter hatte der Pilot kurz vor der Bruchlandung einen Ausfall der Stromversorgung für die Flugelektronik im Cockpit gemeldet. British Airways (BA) wollte dazu nicht Stellung nehmen. Es sei eine Untersuchung durch die britische Luftfahrtbehörde eingeleitet worden, deren Ergebnis abzuwarten sei, erklärte BA-Chef Willie Walsh.
Die Reisenden hatten einen elfstündigen Flug aus Peking hinter sich, als ihre Maschine beim Landeanflug plötzlich nach links absackte und dann weit über die südliche Landebahn von Heathrow auf Grasboden entlang schoss. «Das Flugzeug sackte weg, dann kam es wieder in die Gerade», schilderte der Augenzeuge Neil Jones. «Der Pilot schien zu kämpfen, um sie irgendwie gerade zu halten.»
Das Flugzeug sei bereits unmittelbar hinter dem Zaun des Landebereichs aufgesetzt, berichtete die BBC. Die Maschine sei dann ausgebrochen und schließlich bei ungewöhnlich lautem Heulen eines der beiden Triebwerke zum Stehen gekommen. Kurz zuvor waren beide Fahrwerke abgebrochen. Eines wurde abgerissen und blieb auf der Grasfläche neben der Start- und Landebahn liegen. Die Radhalterung auf der linken Seite durchbrach unmittelbar am Rumpf die Tragfläche.
Die Evakuierung des Flugzeugs sei «wie im Lehrbuch» verlaufen, schilderten Zeugen. «Es gab keine Panik, alle Leute blieben zunächst sitzen, die Mannschaft war bestens vorbereitet, und es ging alles sehr, sehr schnell», schilderte der Passagier Fernando Prado Reportern. «Wir hatten natürlich großes Glück. Es ist, als habe ich in der Lotterie gewonnen.»
Unmittelbar nach dem Stillstand der Boeing kurz vor 13.00 Uhr Ortszeit (14.00 Uhr MEZ) konnten alle Insassen über die vier Rettungsrutschen das Flugzeug verlassen. BA-Chef Walsh dankte der Besatzung für ihren professionellen Einsatz, der maßgeblich zur Rettung aller Passagiere beigetragen habe. Er verwies darauf, dass der Kapitän auf dem Flug BA 038 «einer unserer erfahrensten Piloten mit fast 20 Dienstjahren» sei. Er dankte auch der Flughafen-Feuerwehr, die sofort zur Stelle war und den Jet mit feuerhemmendem Schaum einsprühte.
Der Aufprall des Flugzeugs auf dem Boden sei sehr hart gewesen, berichteten Insassen. «Alle Umstände machen klar, dass es eine echte Bruchlandung war», sagte Luftfahrtexperte Sean Maffet dem Sender BBC. Zuvor hatte British Airways noch von einer «Notlandung» gesprochen. Als solche sehen Experten eine Landung nur dann an, wenn sie mit einer Vorwarnung erfolgt und die Passagiere entsprechend darauf eingestellt sind. Die Passagiere seien jedoch «nicht gewarnt worden», berichtete die BBC.
Während viele Passagiere in Angst um ihr Leben ins Freie drängten, saß unweit der Unglücksmaschine der britische Premierminister Gordon Brown in der Ersten Klasse eines anderen Flugzeugs und wartete auf dessen Start. Zusammen mit einer Delegation britischer Geschäftsleute wollte er ausgerechnet dorthin fliegen, wo die Bruchlandungs-Boeing herkam: nach Peking. Browns Abflug verzögerte sich - wie die Starts vieler anderer Maschinen auch - um mehrere Stunden. Zur Beruhigung auch des Premierministers konnte die Polizei rasch jeden Verdacht auf einen Terroranschlag in der landenden Maschine ausräumen.
Fachleute sagten dem Sender BBC, Fehler der Besatzung seien nahezu auszuschließen. Die Crew habe unter den gegeben Umständen «vorbildlich» gehandelt. Sehr vieles - darunter das von Zeugen beschriebene plötzliche seitliche Absacken der Maschine deute auf einen Triebwerkschaden hin. Die Boeing 777 - der Flugzeugtyp ist seit 1994 im Einsatz - gilt als eines der sichersten Flugzeuge der Welt. Bislang ist keine Maschine dieses Typs abgestürzt.
Nach der Bruchlandung kam es in Heathrow zu erheblichen Verspätungen mit chaotischen Verhältnissen, da die südliche Landebahn vollkommen geschlossen wurde. Tausende Passagiere wurden lange aufgehalten oder konnten ihre Reise gar nicht antreten. Mehr als 200 Flüge wurden gestrichen. Zahlreiche Flüge nach Heathrow wurden zu den Flughäfen Stansted und Luton im Norden Londons umgeleitet.