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Babymilch-Skandal Babymilch-Skandal: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Humana

12.11.2003, 14:33
Ein Tanklastwagen steht am Montag (10.11.2003) auf dem Gelände der Firma Humana Milchunion in Everswinkel. In Israel ist nach dem Tod von drei Babys eine in Deutschland hergestellte Soja-Milch aus dem Handel genommen worden. Die Baby-Nahrung, die unter dem Markennamen Remedia vertrieben wird, stammt von der Firma Humana Milchunion aus dem münsterländischen Everswinkel. (Foto: dpa)
Ein Tanklastwagen steht am Montag (10.11.2003) auf dem Gelände der Firma Humana Milchunion in Everswinkel. In Israel ist nach dem Tod von drei Babys eine in Deutschland hergestellte Soja-Milch aus dem Handel genommen worden. Die Baby-Nahrung, die unter dem Markennamen Remedia vertrieben wird, stammt von der Firma Humana Milchunion aus dem münsterländischen Everswinkel. (Foto: dpa) dpa

Düsseldorf/dpa. - Nach dem Tod von zwei Babys in Israel ermitteltdie Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen die Leiterin derProduktentwicklung der Firma Humana Milchunion. Es geht dabei nachAngaben der Behörde um den Verdacht der fahrlässigen Tötung. DerHerforder Babynahrungshersteller hatte zugegeben, wegen Pannen zehnTonnen fehlerhafte Sojamilch nach Israel geliefert zu haben. DieSäuglinge sollen an Mangelerscheinungen gestorben sein.

Das Verbraucherschutzministerium forderte alle Hersteller vonBabynahrung in Deutschland auf, ihre Produkte sorgfältig zuüberprüfen. «Es muss sichergestellt werden, dass nicht auch beianderen Produkten und Rezepturen Fehler aufgetreten sind», sagte eineSprecherin von Ministerin Renate Künast am Mittwoch. In einem Briefan die zuständigen Länderbehörden bat Künast darum, die Lebensmittel-Überwachung zu intensivieren. In der «Bild»-Zeitung forderte sie eine«rückhaltlose Aufklärung» des Falles.

In ersten Berichten war die Zahl der an Mangelerscheinungengestorbenen Kinder mit drei angegeben worden. Zehn Babys liegen denAngaben zufolge noch in Krankenhäusern. Zwei seien in kritischemZustand, sagte eine Sprecherin des israelischenGesundheitsministeriums der dpa. Insgesamt seien 15 Babys erkrankt,einige davon schwer.

Humana hatte am Dienstag eingeräumt, dass durch menschlichesVersagen in der Qualitätskontrolle der Ware kein Vitamin B 1beigemengt worden sei. Ursache seien fehlerhafte Berechnungen beieiner neuen Rezeptur. Die Milch war eigens für den israelischen Marktkoscher produziert worden.

Die israelische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen dieVertriebsgesellschaft Remedia wegen fahrlässiger Tötung. Zweiisraelische Eltern haben inzwischen Klage gegen die Firma eingereichtund fordern Schadenersatz in Höhe von umgerechnet rund 220 MillionenEuro. Mit Untersuchungsergebnissen von Proben ist nach Angaben desDüsseldorfer Verbraucherschutzministeriums erst in den kommendenTagen zu rechnen.

Kinderärzte halten Sojamilch nur für die drittbesteSäuglingsnahrung. «Muttermilch ist immer vorzuziehen», sagte derPräsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde, Erik Harms(Universität Münster), in einem dpa-Gespräch in Berlin. Auch Kuhmilchenthalte alle für das Wachstum nötigen Stoffe, einschließlich derVitamine. Sojamilch dagegen müsse sehr sorgfältig aufgebaut werden.«Man muss sie praktisch konstruieren. Dazu gehört, dass man allesergänzt, was der menschlichen und der Kuhmilch fehlt», sagte Harms.Es sei denkbar, dass Sojamilch mit zu wenig Vitamin B1 den Tod derSäuglinge in Israel verursacht habe.

Nach Auskunft von Rolf Muchow, Leiter der Kinderklinik Herford,kann Vitamin B1-Mangel alleine nicht den Tod ausgelöst haben. DieKinder müssten zudem bereits krank gewesen sein, sagte er demBielefelder «Westfalen-Blatt». B1-Mangel könne aber als auslösendesMoment in Frage kommen.

Vitamin B1 (Thiamin) ist wichtig für den Energiestoffwechsel unddas Nervensystem. Typische Mangelsymptome sind Appetitlosigkeit,Atemnot, Herz-Kreislauf-Versagen, Muskelschwund und die Beriberi-Krankheit. Dieses Leiden tritt unter anderem bei gestilltenSäuglingen auf, deren Mütter einen schweren Vitamin-B1-Mangel haben.Beriberi kann bei Babys zu tödlichen Herzstörungen führen. Ein Mangelwird nach Expertenmeinung häufig erst sehr spät erkannt.

Die Produktentwicklerin Ute Kramer von der Humana GmbH hält am Montag (10.11.2003) eine Dose der Säuglingsnahrung Remedia Super Soya bei der Pressekonferenz des Unternehmens in Herford. (Foto: dpa)
Die Produktentwicklerin Ute Kramer von der Humana GmbH hält am Montag (10.11.2003) eine Dose der Säuglingsnahrung Remedia Super Soya bei der Pressekonferenz des Unternehmens in Herford. (Foto: dpa)
dpa