Ausstellung Ausstellung: Brotbacken ist Schwerstarbeit

Kommern/dpa. - BrigitteReichartz hat alle Hände voll zu tun an diesem Vormittag imFreilichtmuseum Kommern bei Köln. Die Hauswirtschafterin weiht zehnWissbegierige in die Geheimnisse des Brotbackens aus vergangenenZeiten ein. Während sich bei den einen die Mehl- und Hefemasse imHandumdrehen in einen geschmeidigen Brotteig verwandelt, kämpfenandere mit hochgekrempelten Ärmeln und ohne elektrische Maschinen mitder klebrigen Masse - unermüdliches Kneten, Walken und Formen istangesagt.
Seit drei Jahren gibt Brigitte Reichartz im Heyerhof Kommernhistorische Backkurse. An diesem Tag wird nach alten Rezepten vonGraubrot und Schwarzbrot gewalkt und geknetet. Was so alltäglichklingt, wird für die Teilnehmer zu einem muskelaufbauenden Abenteuerund zu einer Reise in die Vergangenheit.
Das alte Gemäuer des Heyerhofs atmet mehr als 400 JahreGeschichte. 200 Jahre jünger ist das Backhaus. Es wurde im Jahr 1845angebaut. Zunächst gehörte der Hof zum Schloss Myllendonk bei Neussund wurde über die Jahrhunderte hinweg an Bauern verpachtet. - Bisdie komplette Hofanlage schließlich 1971/72 mit Haus, Scheune undStall samt Backhaus abgetragen wurde, um in Kommern als historischesDenkmal wieder aufgebaut zu werden.
Hinter dem Hof, einmal quer durch die gute Stube der Anlage, liegtdas betagte Backhaus. «Diesen Weg durften die Bewohner damals nursonntags nehmen.» Zwischen den Kommandos zum Brotteigmischen nimmtsich Brigitte Reichartz Zeit für Erläuterungen: An den Wochentagen -so spinnt sie den Faden fort - ging man durch den Stall über den Hof.Natürlich wurde diese Regel in der Neuzeit außer Kraft gesetzt.
Das Backhaus, ein kleines Backsteinhaus, birgt neben dem Steinofenjede Menge altes Gerät wie Schürharken, Schieber und Kratzer zumHerausholen des fertigen Brotes. Rechts und links liegt Abfallholzund Reisig, mit dem der Ofen noch heute angefeuert wird. Bis dieoptimale Backhitze von 270 Grad erreicht wird, können gut vierStunden vergehen.
Die erste «Teigrunde» des Kurses gehört dem Graubrot. Ulla Hennist schon sehr aufgeregt. Ob ihr diesmal der Hefeteig gelingt?«Manchmal kippt die Hefe.» Sie spricht aus Erfahrung. Auch SusanneDengler weiß um die Tücken des Teigs, den man auch kaputt knetenkann. Doch Kursleiterin Reichartz hat das richtige Gespür. Sieerfühlt den Gärvorgang der Hefe. Sie weiß, wann er genug Schlägebekommen hat.
Auf zehn Körbchen neben der Feuerstelle verteilt, kann der Teignun den Rest der Arbeit allein verrichten und aufgehen. Atempause.Kein Gedanke mehr an den Kampf mit der Masse, das Walken, Schlagenund Kneten, das die Gespräche mühsam werden oder gänzlich verstummenlässt.
Im Herdraum ist es ungewohnt dunkel. Bis auf drei kleine Fensterund dem lodernden Feuer auf dem ebenerdigen Steinboden gibt es nurwenige Lichtquellen. Ein eigenes Backhaus galt damals als Luxus;gängiger war das Gemeindebackhaus, wo jeder seine Zutaten hinbringenkonnte. Der Teig wurde mit dem persönlichen Signet des Besitzersversehen, damit die Brote nach dem Backen auseinander gehalten werdenkonnten. «Brot war im 16. Jahrhundert das Hauptnahrungsmittel derMenschen», erklärt Reichartz. Zum Vergleich: Liegt heute der Pro-Kopf-Verbrauch bei rund 60 Kilogramm Brot im Jahr, war es um 1800 diefünffache Menge - also rund 300 Kilogramm.
Schwarzbrot wurde früher alle vier bis sechs Wochen frischgebacken. Damals war das Männersache, und eigentlich ist es das imBackkurs auch noch heute: Während die Frauen versuchen, sich dieReste vom Graubrotteig mit kaltem Wasser von den Fingern zuschrubben, fängt für Ernst Thomas, dem einzigen männlichenKursteilnehmer, die Arbeit jetzt erst richtig an.
Die Schwarzbrotmasse ist sehr zäh - eine wahre Herausforderung.Sie besteht aus Sauerteig, Weizen, Roggen und Rübenkraut. «Mitnackten Füßen sind die Männer des Hofes früher in die Backmuldegestiegen», erklärt Reichartz. Nur mit Händen und Armen hätten siedie schwere Masse nicht verarbeiten können. Die Fußarbeit bleibtThomas erspart. Mit hoch gekrempelten Ärmeln, tief über die Muldegebeugt, arbeitet sich der Ingenieur durch «nur» fünf Kilo Teig.
Er hebt ihn zwischen den Händen hoch, wirft ihn zurück. Er knetetund walkt ihn mit beiden Handballen und ganzem Körpereinsatz durch.Obwohl es ordentlich durch die Ritzen des alten Hofes zieht, wird ihmdabei warm. Schnell bekommen auch die übrigen Teilnehmerinnen eineVorstellung davon, was Dorfbewohner damals geleistet haben.
Thomas ist sozusagen ein Brotback-Profi, von Haus aus. Zum Gehöftseiner Eltern im rumänischen Siebenbürgen gehörte ein Backhaus. Erkennt das noch gut: Jahrelang kamen hier leckere Brote aus dem heißenSchlund des Ofens. Noch heute backt der 52-Jährige in seiner Freizeitviel und gern. Den Backtag in Kommern erlebt er deshalb ein bisschenwie eine Zeitreise zurück in seine Kindheit.
Die Gebäude des Freilichtmuseums, auf 80 Hektar inmitten der Eifelgelegen, verteilen sich auf vier Baugruppen, die jeweils für eineRegion stehen - die Eifel, den Westerwald, das Bergische Land und denNiederrhein. Jede Gruppe besteht aus Originalhäusern der einzelnenRegionen, die ausgestattet mit Möbeln und Interieur ihrer Zeit,Kulturgeschichte vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert erlebbarmachen.
An diesem Vormittag schauen Vorschul- und Schulklassen und jedeMenge Besucher vorbei. Neugierig bleiben sie stehen und nehmen dieHistorie in sich auf. Die größte Aufmerksamkeit im Heyerhofallerdings gilt dem Hunde-Tretrad samt Butterfass, direkt neben derEingangstür im Herdraum. «Was meint Ihr wohl, wer in diesem Laufradarbeiten musste?», fragt ein Lehrer.
Während die Kinder gespannt den Geschichten lauschen, geht es fürdie Kursteilnehmer buchstäblich in die heiße Phase. Im Backhaus mussnun die Glut mit dem Schürharken herausgeholt werden. Dann kommt der«Lappes» zum Einsatz, eine lange Stange, an deren Ende ein nassesTuch hängt. Damit fegt Reichartz gekonnt durch den eben nochbefeuerten Ofenschacht. Dann hält sie ihre Hand in den heißenSchlund. «Eins, zwei, drei... Wenn man bis fünf zählen kann, ohnedass es weh tut, ist die Hitze korrekt», sagt sie. Dass das auchschon mal ins Auge gehen kann, zeigen kleinere Brandblasen an ihrenArmen.
Mit dem hölzernen Schieber, auch Schießer genannt, werden dieBrote in die Tiefe des Ofens geschossen. Kursteilnehmerin BirgitSeeger lässt sich das von der Hauswirtschafterin ein paar Mal zeigen,bevor sie selbst mutig den langen Brotstab ergreift und das ersteBrot zur Ofenklappe balanciert. Sie muss aufpassen, dass sie sichbeim «Schießen» nicht an der heißen Klappe verbrennt. Mit einemheftigen Ruck fegt sie den ersten Teig vom Brett. Und auch dieanderen Brote finden problemlos ihren Platz.
Kurze Zeit später werden die ersten Museumsbesucher von demBrotduft angelockt, der sich angenehm warm über den Hof legt. Dochvor dem Genuss ist Aufräumen angesagt. Gemeinsam kratzen dieTeilnehmer des Backkurses die Schüsseln sauber, wischen die Tischeblank, bis nichts mehr an ihre Arbeit erinnert. Nach dem Backmarathongönnen sie sich nun eine Pause und genießen die Idylle, die denHeyerhof umgibt: ein kleiner Garten mit wilden Kräutern, ein Weiher,in dem Frösche quaken, eine Weide, auf der ein Pferd, ein kräftigerKaltblüter, ungestört grast.
Ende der 50er Jahre wurde das Freilichtmuseum Kommern gegründet.Rund 200 000 Besucher zählt es derzeit pro Jahr. «Seit ein paarJahren beleben wir unsere Höfe und Häuser auch mit Personen, die inhistorische Rollen schlüpfen und den Besuchern die Geschichte amkonkreten Beispiel veranschaulichen», erklärt Mitarbeiter CarstenVorwig. Aktionstage und -wochen wie etwa der «Tag der Ernte» oder der«Kaltblütertag» gehören regelmäßig zum Programm.
Für die Teilnehmer des Backkurses macht sich die Schwerstarbeitendlich bezahlt. Sie werden an diesem Tag mit frischem und herrlichduftendem Brot belohnt, das einfach wunderbar schmeckt.