Prozess Anwaltverein begrüßt BVG-Urteil zu Strafverfahren

Berlin/Karlsruhe - Bundesjustizminister Marco Buschmann ist nach eigenen Worten ebenfalls nicht von der nun vom Bundesverfassungsgericht gekippten Regelung zur Wiederaufnahme von Strafverfahren überzeugt gewesen. „Seit der Einführung der Norm gab es Zweifel an ihrer Verfassungskonformität, die ich auch geteilt habe“, erklärte der FDP-Politiker am Dienstag in Berlin. „Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erlangen wir nun Klarheit und Rechtssicherheit.“
Die heftig umstrittene Reform ermöglichte es, Tatverdächtigen auf Basis neuer Erkenntnisse noch einmal den Prozess zu machen. Der Bundestag hatte die Änderung der Strafprozessordnung (Paragraf 362) noch zu Zeiten der großen Koalition von Union und SPD beschlossen.
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßte das Urteil. „Das Gesetz hat faktisch eine unbegrenzte Möglichkeit zur Wiederaufnahme von Mordverfahren geschaffen und Freisprüchen die Rechtskraftwirkung genommen“, so Rechtsanwalt Stefan Conen vom Ausschuss Strafrecht des DAV. „Freigesprochene können nie sicher sein, sich nicht erneut in der gleichen Sache auf der Anklagebank verteidigen zu müssen.“ Auch wenn dies in einzelnen Fällen für die Angehörigen der Opfer schwer erträglich sei, dürfe der Gesetzgeber nicht die Grenzen des Rechtsstaates sprengen.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, verteidigte die Reform, die „im Koalitionsvertrag vereinbart, von vielen Experten als verfassungsgemäß angesehen und im Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtserklärung vorgesehen“ gewesen sei. „Denn es scheint uns unerträglich, dass ein Täter einer unverjährbaren Tat wie Mord, dem nach vorherigen Freispruch die Tat doch noch nachgewiesen werden kann, nicht in einem zweiten Verfahren verurteilt werden kann.“ Man akzeptiere die Entscheidung aber und werde nicht versuchen, die Reform durch eine Grundgesetzänderung doch noch umzusetzen.
Die Grünen hingegen sehen sich in ihrer Skepsis gegenüber der Reform bestätigt. Er werte das Urteil als „klares Signal, dass die Politik bei der Gesetzgebung sich sehr eng an verfassungsrechtliche Vorgaben halten sollte“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Till Steffen.
Der frühere DAV-Präsident Ulrich Schellenberg, der sich als Teil einer Initiative gegen die Reform engagiert hatte, zeigte sich erleichtert. „Das Urteil zeigt, wie schlecht beraten die Politik ist, wenn sie insbesondere in der Rechtspolitik populistischem Druck nachgibt“, betonte er. „Auch Angeklagte haben Grundrechte. Dazu gehört die Unschuldsvermutung bis zur rechtskräftigen Verurteilung, aber eben gerade auch der Grundsatz, dass man wegen ein und derselben Straftat nur einmal vor Gericht gestellt werden kann.“