Orca-Angriffe vor spanischer Küste Angriff oder Spiel? Segler berichten von Orca-Attacken auf ihre Boote

Madrid - Killerwal oder Mörderwal werden diese Meeresräuber auch genannt, weil sie bei der Jagd auf Delfine, Robben oder Thunfische ziemlich brutal vorgehen. Doch auf Menschen haben es die tonnenschweren Schwertwale, die acht bis zehn Meter lang werden können, nicht abgesehen.
Umso mehr sorgt für Aufmerksamkeit, dass immer mehr Segelboote vor der spanischen Atlantikküste von diesen Raubwalen attackiert und beschädigt werden. Allein am Montag mussten die Seenotretter dreimal ausrücken, um von den Meeresbewohnern lädierte Segeljachten abzuschleppen. Nun versuchen Forscher herauszufinden, was hinter den Vorfällen steckt.
15 Mal von Schwertwal gerammt: Boot wird manövrierunfähig
„Der Schwertwal rammte uns 15 Mal“, berichtet Justin Crowther, der britische Kapitän der Segeljacht „Beautiful Dreamer“. Der Wal mit der markanten schwarzen Rückenflosse sei immer wieder mit Wucht gegen das Ruder geschwommen. Bis die Zehn-Meter-Jacht, die zu diesem Zeitpunkt elf Kilometer von der spanischen Hafenstadt Ferrol mit Motor unterwegs war, manövrierunfähig gewesen sei. „Wir haben dann den Motor abgeschaltet.“ Daraufhin sei der Angreifer verschwunden, sagte Crowther der Zeitung „La Voz de Galicia“.
Kurz nach dieser mysteriösen Begegnung der „Beautiful Dreamer“ am 11. September informierte der Seenotdienst die Schifffahrt über einen „Angriff von Schwertwalen“ vor der nordwestspanischen Küste. Und er warnte: „Versuchen Sie nicht, sich im Falle einer Sichtung zu nähern. Halten Sie Abstand.“ Beim Auftauchen von Orcas, wie die Meeressäuger nach ihrem lateinischen Namen „Orcinus orca“ auch genannt werden, solle die Küstenwacht verständigt werden.
Doch auch der Sicherheitsabstand schützt Sportschiffer nicht immer vor solchen Begegnungen. Orcas, die als neugierig gelten und zur Familie der Delfine gehören, begleiten gerne Schiffe auf dem Meer. Sie schwimmen neben den Booten, tauchen unter ihnen hinweg. Angriffe auf Schiffe aber waren bislang nicht bekannt.
Angriffe von Schwertwalen: Schon im Juli ähnliche Vorfälle
So machten sich auch die drei Marinesoldaten, die Ende August mit der Regattajacht „Mirfak“ vor der Küste Spaniens unterwegs waren, zunächst keine Sorgen, als drei Schwertwale neben dem Boot auftauchten. Erst als eines der Meerestiere immer wieder das Ruder rammte und zerstörte, wurde ihnen klar, dass diese keine harmlose Begegnung war.
„Das ist das erste Mal, dass mir dies in meinen 40 Jahren als Seemann passiert ist“, sagte später Candido Cosuelo, einer der Soldaten, im spanischen TV. Der Segler glaubt nicht, dass die Schwertwale das Boot oder seine Besatzung attackieren wollten. „Die wollten mit dem Ruder spielen.“ Am selben Tag machte nicht weit entfernt noch eine französische Jacht unliebsame Bekanntschaft mit den Orcas. Die britische Zeitung „The Guardian“ berichtet zudem, dass es schon im Juli ähnliche Vorfälle gegeben habe. Und zwar weiter südlich im Atlantik, in der Nähe der Meerenge von Gibraltar. Die Skipperin Victoria Morris berichtet dem Blatt über einen „total organisierten Angriff“ auf ihr Schiff von neun Orcas. Auch in diesem Falle wurde vor allem das Ruder attackiert - bis es brach.
Spiel oder Aggression: Forscher rätseln über Verhalten der Orcas
Was steckt hinter dem Verhalten dieser Meeresbewohner? Fühlen sie sich bedroht oder bei der Futtersuche gestört? Oder sehen sie die Boote und deren sich bewegenden Ruderblätter als Spielzeug? Die Meeresbiologen der spanischen Walforschungsorganisation Cemma versuchten dieser Tage die Öffentlichkeit zu beruhigen. Es handele sich vermutlich nicht um gezielte Angriffe, sondern um „Interaktionen mit Schiffen“. Die Forscher weisen darauf hin, dass die Schwertwale geschützt seien und dass es Schiffen deswegen nicht erlaubt sei, sich ihnen zu nähern.
Möglicherweise handele es sich bei den Protagonisten der Vorfälle um Jungtiere, die sich in einer Phase des „Lernens und der Neugier“ befänden, mutmaßte Cemma-Biologe Alfredo López in der Zeitung „Faro de Vigo“.
Jedes Jahr ziehen die Schwertwale im Spätsommer von Gibraltar aus an der portugiesischen und spanischen Atlantikküste entlang Richtung Norden, um Thunfische zu jagen. Die Orcas gehen im Team auf Beutejagd und haben raffinierte Methoden entwickelt, mit denen sie sogar Haie oder Blauwale erlegen können. (mz)