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Andrea Berg Andrea Berg: Schlager und Korsagen

Von Christiane Vielhaber 20.04.2012, 15:01

Halle (Saale)/MZ. - Da sitzt sie nun. Das Pin-up-Girl für Riester-Rentner, die Schlagerfrau in Strapsen, die Bauspar-Domina, wie Spötter sie gerne nennen. Aber auch: die erfolgreichste deutsche Sängerin. Niemand verkauft so viel wie sie, und das seit Jahren. Ihr "Best of"-Album etwa ist seit mehr als sechs Jahren in den Charts. Damit schlägt sie Pink Floyds "Wish You Were Here" und die Beatles.

Die Tür zur schmucklosen Künstlergarderobe steht offen. "Es hat ein bisschen gemüffelt, da habe ich mal gelüftet", sagt Andrea Berg (46) und tippt schnell eine SMS. Vor dem Konzert trägt sie zivil, eine enge schwarze Hose und T-Shirt mit Glitzer. Seit 20 Jahren steht Andrea Berg auf der Bühne.

Die Woche gehört der Familie

Konzerte gibt sie seit drei Jahren nur noch von freitags bis sonntags. Die Woche gehört der Familie. "Dann bin ich eine ganz normale Frau und mache meiner Tochter Brote. Die Crew ist dann zu Hause, alle können mal Wäsche waschen. Dann legen wir wieder los, sonst nutzt sich das zu schnell ab, wenn man nicht mehr weiß, in welcher Stadt man ist."

Das ist also die Frau, die Sätze singt, die bei jedem Feuerwehrfest mitgegrölt werden: "Ein Tag mit dir im Paradies ist mir die Hölle wert." Oder: "Du hast mich tausendmal belogen, du hast mich tausendmal verletzt." Die Musik sei für sie eine wunderschöne Nebensache. "Nach meiner Tour gehen 400 000 Menschen glücklich nach Hause, was kann es Schöneres geben!" Vor dem Konzert findet wie immer ein "Meet and Greet" statt. Da treffen Fans ihren Star. Einige haben die Tickets dazu bei einem Preisausschreiben gewonnen, andere beim Management darum gebeten, dabei zu sein. Das Mittvierziger-Ehepaar aus Stuttgart findet, dass die Andrea einfach authentisch rüberkommt. "Ihre Texte treffen es genau, und auf die Musik kann man super tanzen."

Andrea Berg hat beim Treffen hinter der Bühne für jeden das richtige Wort. Auch für den spastisch gelähmten Mann, der mit Mühe herausbringt, dass er gerne neun Autogramme von ihr hätte. Berg war zu Beginn ihrer Karriere Arzthelferin und Krankenschwester auf einer Krebsstation. In Krefeld hat sie ein Hospiz mitgegründet.

Keine Lust auf Talkshows

Die Hospizarbeit ist ziemlich das einzige außermusikalische Thema, über das sie in der Öffentlichkeit sprechen will. Andrea Berg geht nie in Talkshows. "Was soll denn eine Schlagerfrau da schon groß erzählen?"

Vor kurzem war sie bei Kai Pflaume in seiner Benefiz-Rateshow und hat sich dort sichtlich unwohl gefühlt. Fast wie versteinert saß sie neben ihrem Ratekollegen, dem Schauspieler Armin Rohde. "Das mache ich nicht wieder, ich war an dem Abend auch sehr krank." Eine Rampensau, findet sie, sei sie eigentlich nur auf der Bühne.

Vielleicht ist das der Grund dafür, dass Andrea Berg im Gegensatz etwa zu ihrem Kollegen Florian Silbereisen noch nicht einmal zu den üblichen Opfern der Parodisten gehört. Sie ist außerhalb ihrer Fan-Welt einfach zu unbekannt. Andrea Berg ist das alles egal. Sie hat eine Mission: "Ich will mich um Leute kümmern. Meine Lieder sind wie Gummibärchen für die Seele."

Draußen füllt sich die Arena. Andrea Berg betritt pünktlich 20 Uhr die Bühne. Die besteht bei dieser Tour aus einem riesigen Piratenschiff, das Kollege DJ BoBo für sie entworfen hat. Es beginnt eine Show, die eine Mischung aus Phantasialand, Pyrotechnik, Gefühlen und Kindergeburtstag ist.

Andrea Berg fragt die Zuschauer: "Wollt ihr meine Traumpiraten sein?" Sie singt ihre großen Hits, Tanz- und Mitsing-Nummern. Geschickt streut sie Seeromantik-Klassiker wie "Junge, komm' bald wieder" ins Programm ein. Ja, und auch der "Titanic"-Song fehlt nicht.

Dass Kritiker ihre Platten ignorieren oder mit hämischem Spott belegen, stört Andrea Berg nicht, und sie sagt das, was sie in seltenen Interviews immer sagt: "Kritik ist zwecklos, ich kann es ja nicht besser . . . Wer mich nicht hören will, der muss es ja nicht." Fast genauso wichtig wie die Musik ist der Kostümwechsel. Viel Bein, High Heels, Korsagen und Strapse: Für Männer gibt es etwas zu gucken - und für Frauen wird die Grenze des guten Geschmacks gerade noch eingehalten. Außerdem ist die Andrea ja eine Nette. "Na, manchmal übertreibt sie es etwas", findet ein 46-Jähriger. "Aber tragen kann sie es schon."

Andrea Berg zuckt mit den Schultern. "Natürlich polarisiert die Kleidung, aber da steht kein Plan dahinter. Das macht mir einfach Spaß." Entworfen wird ihre Garderobe von den Berliner Designern Unrath & Strano. "Das ist doch der Traum jeder Frau. Mal Piratenklamotten tragen, mal ein romantisches 'Titanic-Kleid', dann eine zerbrechliche Elfe sein." Das Wort "träumen" fällt noch sehr häufig an diesem Abend. "Ich schieß' dich auf den Mond und unsere Träume hinterher", singt sie. In ihren Liedern ist ständig der Himmel schon besetzt und man fällt auf den Boden der Tatsachen zurück - und da finden sich die Fans ganz offenbar wieder. Aber die Hoffnung auf Liebe und Abenteuer oder einfach auf ein bisschen Prickeln in der Reihenhaussiedlung darf nie sterben. Kein Wunder, dass ihre Schlager bei Schützenfesten oder beim Après-Ski der Renner sind. Denn was macht die Kontaktaufnahme leichter, als mit jemanden zu einem Lied zu tanzen, in dem jemand schmachtet: "Ich gebe doch sonst nicht gleich nach. Bei dir da werd' ich schwach. Wenn du willst, dann küss' mich doch, ich habe Angst, du wartest noch."

Blumen im Geländewagen

Trotz der sexuellen Einsprengsel - bei Andrea Berg geht es in jeder Hinsicht familiär zu. Die meisten Musiker sind seit Jahren mit ihr unterwegs, am Monitor sitzt ihr Onkel. Früher arbeitete dort ihr Vater. Er ist vor kurzem an Krebs gestorben. Der Tod ihres Vaters ist eines der wenigen Ereignisse in ihrem Leben, das Andrea Berg nach außen trägt. Ihm hat sie ein Lied gewidmet. "Jeder hat sein Päckchen zu tragen, auch ich", sagt sie den Fans. Mehr Homestory gibt es bei ihr nicht. Auch nichts zum Finanziellen. Andrea Berg trägt ihr Einkommen nicht zur Schau. Auf die Frage, für was sie gerne Geld ausgibt, antwortet sie: "Für Blumen. Da kann es passieren, dass ich bei meinem Geländewagen die ganze Rückbank volllade."

Andrea Berg war von 2002 bis 2004 mit Schlagerkollegen Olaf Henning verheiratet, 2007 heiratete sie Uli Ferber. Der ist Spielerberater und betreut 30 Fußballer, u. a. Mario Gomez von Bayern München. Außerdem betreibt Ferber im 8 000-Seelen-Ort Kleinaspach nahe Stuttgart die Hotelanlage Sonnenhof, wo das Ehepaar mit der 13-jährigen Tochter von Andrea Berg lebt. "Da sind wir schon öfter gewesen. Das ist schön", schwärmt ein Fan. "Und manchmal bedient die Andrea die Gäste im Dirndl." Oder sie kümmert sich um den Streichelzoo oder buddelt im Garten.

Der Stoff wird knapper

Ehemann Uli Ferber ist inzwischen auch in der Arena eingetroffen. Vorne im Block für die Gäste begrüßt er die Gruppe, die mit dem Bus aus Kleinaspach angereist ist, um zu sehen, "was die Andrea so macht". "Die Andrea kenne ich schon ganz lange, die ist immer sie selbst geblieben. Zu Hause läuft sie nur mit flachen Schuhen rum", sagt eine Bekannte. Andrea Berg hat zum vierten Mal das Kostüm gewechselt, der Stoff wird knapper - und sie beweist, dass sie eben eine Rampensau ist. Die Zuschauer haben einen großen Teil des Konzerts die Hände zum Himmel. Und wenn mal nicht, dann ruft Andrea Berg ein helles "Huhu" bis in die obersten Ränge. Und: "Ihr seid der Wind in meinen Flügeln, ihr seid das Meer, auf dem ich segle."

Ihre Texte schreibt sie jetzt selbst. Seit kurzem wird sie von Dieter Bohlen produziert. "Der denkt genauso wie ich." Die Zusammenarbeit brachte die bisher wohl originellste Schlagzeile ihrer Laufbahn: "Andrea Berg benennt Ziegenbock nach Dieter Bohlen", hieß es da. "Ja, der Dieter fand meinen Streichelzoo so schön."

Mit "Weißt du, wie viel Sternlein stehen" verabschiedet sich Andrea Berg. "Supergeile Show" finden die Fans. Die Sängerin fährt jetzt nach Kleinaspach, schmiert Brote für die Tochter und zieht ihre Lieblingsschuhe an: grüne Gummistiefel.