Afrika-Expedition Afrika-Expedition: Michael Kahlfuss ist mit der Rennpappe auf einem Höllenritt

Seit dem ersten Start bei der Safari Rallye hat Michael Kahlfuss aus Möser bei Magdeburg noch eine Rechnung offen mit dem mörderischen Rennen durch Ostafrika. Sonntag geht er mit Trabi „Fritzi“ erneut an den Start.
Die Füße reichten noch nicht richtig an die Pedale heran, da fuhr Michael Kahlfuss schon Auto. Leidenschaftlich. Und ziemlich gut, wie er sagt. „Auf dem Weg zu Oma hat mein Vater mich immer mal an den Lenker gelassen, erst nur auf gerader Strecke, dann auch quer durch den Wald.“
Eine nicht-öffentliche Straße war das damals, in den 70ern, als der heute 52-jährige Mann aus dem Örtchen Möser bei Magdeburg sein Talent für Autos, Motoren und wilde Jagden durch freies Gelände entdeckte. Kahlfuss, raspelkurzes Haar, sportliche Figur und leuchtende Augen über dem fröhlichen Grinsen im Gesicht, hat später nie mehr davon lassen können. Die eigene Fahrschule in Burg, toll. Die liebevoll gepflegten Oldtimer vom Wartburg bis zum Trabi, wunderbar. Aber eigentlich, weiß Freundin Annett, ist Rallyefahren für „Mika“, wie sie ihn in der Motorsportszene nennen, das wahre Leben.
Die Idee zu einer afrikanischen Rallye hatte der Brite Eric Cecil, der nach seinem Armeedienst in Afrika in Kenia geblieben war. 1953 startete die erste Safari-Rallye von Nairobi aus über Uganda und Tansania zurück nach Kenia. 1957 gab der internationale Motorsportverband dem Rennen seinen Segen, ab 1959 wurde die Safari-Rallye als Lauf zur WM ausgetragen.
Diesen Status verlor das Rennen Anfang der 2000er Jahre wegen Kritik an der Organisation. Rallye-Direktor Raju Kishinani betont jedoch bis heute, sein Rennen sei „das Juwel in der Krone der Marathon-Rallyes“. Derzeit findet die neuntägige Tour im Rahmen der Afrika-Meisterschaft statt, zur diesjährigen Auflage starten am 19. November 57 Teams aus aller Welt, die meisten in Porsche, Ford und Mercedes. Zur Umfrage: www.bit.ly/safariumfrage
Das war schon so, als Mika noch in der DDR fuhr, gegen eine überschaubare Konkurrenz. „Ich habe schnell gemerkt, dass ich da was reißen kann“, erinnert er sich heute an die frühen Tage des Rennfahrers Kahlfuss. Damals ist alles Improvisation, Beschaffungstrickserei, ewiger Kampf gegen die Teams aus dem Umfeld der sächsischen Staatsautoschmieden. „Aber ich war auf dem richtigen Weg“, sagt Kahlfuss, „es ging immer aufwärts, die Platzierungen wurden immer besser.“
Bis die Armee kam und rief und zwar einen Kraftfahrerposten in der Nähe bot, aber keine Gelegenheit, in der Meisterschaft weiter um Punkte zu fahren. Der Titel war weg. Und beim nächsten Anlauf war es das Land, das ihn vergab. „Ich bin zu spät gekommen, um DDR-Meister zu werden.“
Mit einem fast 40 Jahre alten Trabant 601 zum härtesten Rennen der Welt
Dass Michael Kahlfuss sich ab Sonntag ins härteste Rennen der Welt wirft und das auch noch mit „Fritzi“, einem fast 40 Jahre alten Trabant 601, hat vielleicht damit zu tun. Denn kurz nach dem Mauerfall hatten Mika und sein Co-Pilot Ronald Bauer das mörderische Rennen über 3 000 glutheiße Meilen Ostafrikas schon einmal in Angriff genommen. „Damals wurden wir eingeladen, es zu versuchen, und beinahe haben wir es auch geschafft.“ Obwohl nichts für das Mika-Team aus Sachsen-Anhalt sprach und alles dagegen, dass Trabi Fritzi das Ziel aus eigener Kraft erreicht, hielt die Rennpappe. „Nur wegen einer Zeitüberschreitung durch eine Reparatur langte es nicht zu einem Platz auf der Rangliste.“
Kahlfuss fuhr danach die Rallye Monte Carlo mit dem 600-Kilo-Leichtgewicht vom Sachsenring, ehe er für Toyota und Mitsubishi in richtigen Rallye-Autos auf die 1 000 Lakes-Rally in Finnland, Rallyes in China, die Rally Australia und die RAC-Rallye in England ging. „Wilde Jahre“, sagt Kahlfuss, „wir waren mittendrin im Rennzirkus statt nur dabei.“
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2003 auch wieder bei der East African Safari Rally, dem nach Einschätzung von Experten härtesten Rallye-Kurs der Welt. Für Kahlfuss der Gipfel dessen, was sich im Pilotensitz eines Rallye-Wagens erleben lässt. „Es ist einfach brutal hart“, beschreibt er, „es gibt keine Absperrungen, die Pisten sind knochenhart oder so tief verschlammt, dass das Auto steckenbleibt.“
Ein Traum wurde wahr, als damals der Anruf kam. „Bis dahin war die Rallye WM-Lauf, da durfte der Trabant nicht mehr mitfahren, weil er zu alt war“, erklärt Kahlfuss. Erst als das seit 1953 ausgetragene Rennen seinen WM-Status verloren hatte, öffnete sich für die Trabi-Truppe wieder ein Startfenster. „Wir haben es dann mit Fritzi wirklich auf Platz 32 geschafft.“ Doch ein schlimmer Unfall überschattet den Triumph, die Freude, durchgekommen zu sein, ist am Ende gedämpft. „Wir haben definitiv alle noch eine Rechnung offen mit dieser Rallye.“
Lange muss Kahlfuss denn auch nicht nachdenken, als die Kenianer vor ein paar Monaten anfragen, ob er die Rennpappe nicht noch einmal satteln wolle. „Die wissen genau, dass das unheimlich Aufmerksamkeit bringt.“ Kahlfuss aber will kein Exot sein, der nur für die Kameras mitrollt. „Wenn, dann wollen wir durchkommen und eine gute Zeit fahren.“
Straßenstaub, Motorenlärm und Werkstatthektik
Das kostet Geld, Zeit, Kraft und Energie. Vor jeder Rallye mit Straßenstaub, Motorenlärm und Werkstatthektik findet eine ganz anderer Art statt. Klinkenputzen bei Sponsoren, das Team zusammentrommeln, Technik verpacken. „Alle in der Truppe sind älter geworden, haben Familie, da ist das nicht leichter“, sagt Mika, der mit Freundin Annett eine fünfstellige Summe gesammelt hat, um überhaupt über eine Teilnahme nachdenken zu können. „Das Rennen vorher ist fast härter als die Tour selbst.“
Das Geld ist beisammen, das Team steht, die Container mit Fritzi und allen nur denkbaren Ersatzteilen - darunter einige Sätze echte Pneumant-Reifen - sind schon in Afrika. „Wir haben den Fritzi mit einem Zusatztank ausgestattet und Spezialachsen, Sportsitze und Sicherheitszelle eingebaut.“ Zudem hat der Trabi nicht mehr 26, sondern 50 PS. „Er schafft jetzt150.“
Angst vor der Strecke und den Gegnern in ihren Porsches und Fords haben Kahlfuss und Co-Pilot Bauer nicht. „Es laufen bei den Kollegen Wetten, ob wir ins Ziel kommen“, sagt Michael Kahlfuss, „aber wir sind optimistisch.“ Nichts an seinem neuaufgebauten Wagen kann wirklich kaputtgehen. „Wir kriegen alles wieder hin.“
Der Trabi ist zwar auch mit 50 PS noch untermotorisiert, „vor allem am Kilimandscharo werden wir das merken“. Aber dafür ist der rüstige Mittvierziger in Mintgrün eben auch leicht, sehr leicht sogar. „Als wir beim letzten Mal nach heftigen Regenfällen durch eine Furt zu fahren versuchten, sind wir einfach weggeschwommen“, schmunzelt Mika. Der Mann aus Möser wirkt, als freue er sich schon mächtig auf eine Wiederholung solcher Abenteuer. Sonntag startet der Flieger nach Mombasa, ab Donnerstag geht es dann raus auf die mörderische Strecke. „Das wird ein Spaß“, sagt Michael Kahlfuss. (mz)