1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Aachen: Aachen: Mord-Geständnis als bizarre Sex-Phantasie

Aachen Aachen: Mord-Geständnis als bizarre Sex-Phantasie

Von Markus Peters 14.07.2008, 09:35
Der Angeklagte Egidius S. sitzt beim Prozessauftakt im Fall «Anhaltermorde» im Landgericht Aachen auf der Anklagebank. (Foto vom 16.04.08). (Foto: ddp)
Der Angeklagte Egidius S. sitzt beim Prozessauftakt im Fall «Anhaltermorde» im Landgericht Aachen auf der Anklagebank. (Foto vom 16.04.08). (Foto: ddp) ddp

Aachen/ddp. - Diese Frage wird der Aachener Richter Gerd Nohl am Donnerstag (17.Juli, 11.00 Uhr) mit seinem Urteil zu den brutalen «Anhaltermorden»beantworten müssen.

Seit Mitte April muss sich ein 52-jähriger Mann ausNordrhein-Westfalen wegen der teilweise 20 Jahre zurückliegendenTötungsdelikte vor der Ersten Schwurgerichtskammer des LandgerichtsAachen verantworten. Ein banaler Schrottdiebstahl hatte die Polizeiim vergangenen Jahr auf die Spur des Angeklagten gebracht. Nachdem erbei einem Altmetalldiebstahl erwischt wurde, gab er freiwillig eineSpeichelprobe ab. Diese DNA-Probe passte zu dem Spurenmaterial einerungeklärten Mordserie, die von 1983 bis 1990 die Polizei in Aachenbeschäftigt hatte.

Bei der ersten Tat im Jahr 1983 war eine 18-jährige Frau das Opfergewesen. 1984 hatte vermutlich der gleiche Täter eine 15-Jährige undeine 17-Jährige erdrosselt. Drei Jahre später geschah der nächsteMord, dem eine 18 Jahre alte Schülerin zum Opfer fiel. Die letzteTat, mit der der Angeklagte in Verbindung gebracht wird, ereignetesich 1990. Hier war eine 31 Jahre alte Frau das Opfer. Alle Frauenwaren als Anhalterinnen zu ihrem Mörder ins Auto gestiegen.

Bei den polizeilichen Vernehmungen hat der 52-Jährige alle fünfihm zur Last gelegten Taten gestanden. Dieses Geständnis ließ derAngeklagte am ersten Verhandlungstag von seinem Anwalt Rainer Dietzwiderrufen - mit einer Begründung, die man in Gerichtssälen bislangselten gehört hat: Er habe die Verbrechen nur gestanden, weil ihn alsleidenschaftlichen Masochisten der Stress der Verhörsituation und dieAussicht auf Haft maximal erregt habe.

Ein Version, die auch die Ehefrau des Angeklagten, eine selbsternannte Domina, im Gerichtssaal und vor Fernsehkameras gernwiederholte - zum Entsetzen der Angehörigen der Mordopfer. Ihr Mannsei von devoten Demütigungsfantasien getrieben, aber keinGewalttäter, beteuerte die 42-Jährige.

Die Erklärung des Angeklagten verwarf der vom Gericht bestellteGutachter Hans Ludwig Kröber allerdings als «nicht diskussionsfähig».Um als heterosexueller Masochist tatsächlich erregt zu werden, habedem Angeklagten beim Polizeiverhör schlichtweg die starke,dominierende Frau gefehlt. Im Übrigen sei der Angeklagte «vollschuldfähig». Der Versuch von Rechtsanwalt Dietz, den Gutachter alsbefangen abweisen zu lassen, scheiterte.

Belastet wurde der Angeklagte auch durch die Aussagen derermittelnden Kriminalbeamten. In drei der fünf Fälle habe der Mannsie zielsicher zu den Stellen geführt, wo vor rund 20 Jahren dieLeichen gelegen haben. Das werten die Ermittler als Wissen, das nurder Mörder haben konnte. Für den Angeklagten waren das im Nachhineinalles nur Zufälle.

Dietz focht in der Hauptverhandlung vor allem das Geständnisseines Mandaten bei der Polizei an. Dies sei nach zwölfstündigenVernehmungen unter Druck entstanden, behauptet er. Zudem sei seinMandant nicht hinreichend über seine Rechte belehrt worden.Allerdings kam er auch nicht umhin, dem Angeklagten eine «skurrilePersönlichkeit» zu bescheinigen.

Die Staatsanwaltschaft hat für den 52-Jährigen eine lebenslangeHaftstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuldbeantragt. Der Verteidiger fordert einen Freispruch. SeinerAuffassung nach gibt es zu viele Zweifel an der Schuld seinesMandanten.