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Cybergrooming 20-Jähriger soll Kind im Internet zum Suizid gedrängt haben

Der Mann soll Kopf einer pädokriminellen Gruppe im Internet sein, seine Opfer in Foren gezielt ausgesucht und sie dazu gebracht haben, sich selbst zu verletzen - bis zum Suizid.

Von Carola Große-Wilde, dpa Aktualisiert: 18.06.2025, 17:39
Die Polizei nahm einen 20-Jährigen wegen Mordverdachts fest.
Die Polizei nahm einen 20-Jährigen wegen Mordverdachts fest. Georg Wendt/dpa

Hamburg - Es sind unvorstellbare Taten, die die Soko Mantacore aufgedeckt hat: Nach monatelangen Ermittlungen hat die Polizei Hamburg einen 20-jährigen mutmaßlichen Pädokriminellen wegen Mordverdachts an einem Kind festgenommen. Er soll Kopf einer Gruppe sein, die zahlreiche Kinder im Internet sexuell missbraucht haben soll, wie die Polizei mitteilte. Unter anderem soll der 20-Jährige über das Internet einen 13-jährigen US-Amerikaner in den Suizid getrieben haben. Die Taten wurden demnach in Zusammenarbeit mit dem FBI aufgedeckt.

Der Beschuldigte, der die deutsche und die iranische Staatsbürgerschaft hat, ist laut Staatsanwaltschaft dringend verdächtig, im Alter von 16 bis 19 Jahren mehr als 120 Straftaten begangen zu haben. Darunter seien insbesondere Straftaten, die sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung von insgesamt acht kindlichen und jugendlichen Geschädigten gerichtet hätten. 

„Das sind Abgründe, die nur schwer auszuhalten sind“, sagte Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel. Die Taten zeigten ein unvorstellbares Maß an Verrohung und Unmenschlichkeit. 

20-Jähriger wurde in Wohnung der Eltern festgenommen

Der Beschuldigte wurde den Angaben nach am Dienstag in der Wohnung seiner Eltern in Hamburg festgenommen. Er habe die Vorwürfe vor dem Haftrichter pauschal bestritten. Er soll im Internet unter dem Namen „White Tiger“ bekannt sein und zu der berüchtigten internationalen Pädokriminellen-Gruppe „764“ im Internet gehören.

Der Täter habe sich gezielt verzweifelte Kinder ausgesucht, unter anderem in Suizidforen. Er habe sich ihnen langsam angenähert und sie emotional abhängig gemacht und sie dann dazu gebracht, sich selbst zu verletzen - bis hin zum Suizid. Die Dateien wurden als Trophäen gespeichert und als Druckmittel gegen die Kinder eingesetzt, wie Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich sagte. 

„Die Taten übersteigen menschliche Vorstellungen“

Das Besondere an dem Fall sei, dass sich alle Taten im virtuellen Raum abgespielt hätten. Insgesamt haben Polizei und Staatsanwaltschaft acht geschädigte Kinder im Alter von 11 bis 15 Jahren ermittelt. Sie stammen aus Deutschland, England, Kanada, USA, zwei aus Hamburg und eines aus Niedersachsen. Ein 13-jähriger US-Amerikaner wurde demnach in den Suizid getrieben, eine 14-jährige Kanadierin habe versucht, sich umzubringen.

„Die Taten übersteigen menschliche Vorstellungen“, sagte Fröhlich. Die Beamten hätten unzählige Videos mit Enthauptungen, Folterungen und Vergewaltigungen von Kleinkindern und getöteten Tieren gesichtet. Ein Mädchen habe sich vaginal verletzen müssen. „Wir hoffen, dass sich die Festnahme in der Szene herumsprechen wird, und es dann eine interne Abschreckung geben wird“, sagte Fröhlich.

Gründer der Gruppe „764“ bekam 80 Jahre Freiheitsstrafe

Der 15 Jahre alte Gründer der Internetcommunity „764“ wurde laut Staatsanwaltschaft in den USA zu 80 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auf den Hamburger Serientäter im Internet waren die Beamten erstmals im September 2023 aufmerksam geworden. Damals stellten Beamte Material sicher, das jedoch erst ausgewertet werden musste.

Laut Staatsanwalt Nicolas Benz kreieren die Täter im Internet ein „Netzwerk der Angst“, aus dem die jugendlichen Opfer nur schwer wieder herausfinden. Die Kinder und Jugendlichen werden über Social Media und Gaming-Plattformen angesprochen. Durch so genanntes Cyber-Grooming (gespielte Liebe) gewinnen sie das Vertrauen der Jugendlichen und setzen sie dann mit kompromittierendem Material unter Druck, sollten sie nicht weiteren Aufforderungen zu selbst verletzenden Taten Folge leisten.

Björn Gebauer vom Landeskriminalamt appellierte an alle Eltern, aufmerksam zu sein und darauf zu achten, was ihre Kinder im Internet tun. Besonders gefährlich seien Apps wie Discord, Telegram oder andere verschlüsselte Kommunikationsplattformen, die Eltern nicht einsehen können. Sollte es Verdachtsmomente geben, sollten sich die Eltern an die Polizei wenden.

BKA warnt vor Online-Gruppen

Auch das Bundeskriminalamt (BKA) warnt, auch mit Blick auf den aktuellen Fall, vor solchen Gruppen, in denen Kinder und Jugendliche in einen Kreislauf aus Drohungen, Erpressungen und Selbstverletzung verwickelt werden. Die Täter seien wie im Hamburger Fall dabei häufig noch selbst jung und würden das Vertrauen der Opfer gewinnen, um sie schrittweise zu manipulieren, zu entwürdigen und schließlich zu kontrollieren, so das BKA.