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"Zwickauer Terrorzelle" "Zwickauer Terrorzelle": Umgang mit NSU entzweit Zwickauer

Von Ralf Hübner 12.05.2013, 08:32
«Den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Mahnung» steht am Mahnmal für die Opfer des Faschismus am 18.04.2013 in Zwickau (Sachsen).
«Den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Mahnung» steht am Mahnmal für die Opfer des Faschismus am 18.04.2013 in Zwickau (Sachsen). dpa Lizenz

Zwickau/DPA - Zwickau hat den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) satt. Gründlich. Vor Beginn des Prozesses gegen Beate Zschäpe habe sie wieder öfter den Namen ihrer Stadt im Zusammenhang mit dem Neonazi-Trio gehört, sagt Oberbürgermeisterin Pia Findeiß (SPD). „Damit müssen wir umgehen.“ In Zwickau gebe es zwar rechtsextremes Gedankengut. „Das ist hier aber nicht häufiger als in anderen Städten auch. Das ist ein Problem fast jeder Stadt oder Gemeinde.“

Dennoch fragt sich Findeiß schon immer wieder: „Wie haben die unerkannt unter uns leben können?“ In Zwickau hatte das Neonazi-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe rund zehn Jahre lang unerkannt gelebt. Von hier aus zog es eine blutige Spur durch ganz Deutschland und tötete neun Männer ausländischer Herkunft und eine deutsche Polizistin.

Das Haus in der Zwickauer Frühlingsstraße, wo sich das Trio zuletzt versteckt hatte, gibt es nicht mehr. Jetzt ist dort Wiese, frisches Grün mit Sträuchern. Als Böhnhardt und Mundlos im November 2011 aufflogen und starben, soll Zschäpe dort eine Explosion ausgelöst haben. Zwischen den Trümmern fanden Ermittler später viele Beweise für die NSU-Verbrechensserie.

Etwa ein halbes Jahr später wurde die Ruine - eine Doppelhaushälfte - abgerissen. Nichts sollte an das Neonazi-Trio erinnern. „Der Abriss war richtig“, verteidigt Findeiß die damalige Aktion. Selbst die Polizei habe dazu geraten. Dort habe kein Wallfahrtsort für Rechtsextremisten entstehen sollen. Aber natürlich bleibe das Grundstück Bauland. Ob dort je wieder gebaut werde, könne sie jetzt noch nicht sagen. Und ob sich tatsächlich Rechtsradikale dort trafen, ist nicht bekannt.

„Vor der Ruine sind damals Touristenbusse mit Schaulustigen vorgefahren“, erzählt Bäckersfrau Doreen Reinhold. Das hätten Kunden berichtet. Das Geschäft ist rund 100 Meter entfernt. „Nur die Frau ist manchmal einkaufen gekommen - Brötchen, Kuchen, nichts besonderes“, erinnert sich die 41-Jährige an Zschäpe. Die sei freundlich gewesen, habe sich mit den Leuten unterhalten. „Smalltalk.“ Die Menschen seien erschrocken gewesen, als bekanntgeworden sei, was das für Leute waren. Später hätten die vielen Reporter und Kamerateams genervt.

„Die Leute sind des Themas leid“, bestätigt SPD-Stadtrat Henry Sippel, der in dem Viertel wohnt. „Wir wollen unseren Stadtteil, unsere Stadt nicht mehr mit NSU, Nazis, Terrorzelle oder rechter Gewalt in Verbindung gebracht sehen. Es muss auch mal gut sein.“ Es sollten wieder andere Dinge in den Mittelpunkt rücken, wie der Neubau eines Sportbades, die Renovierung des Kornhauses als Stadtbibliothek oder der Bau eines neuen Fußballstadions. Es gebe finanzielle Zuwendungen für Neugeborene, kostenlose Schülerbeförderung, kostenfreies Mittagessen für Kinder von Studenten, Zuschüsse für die gesunde Ernährung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen. „Dies ist wichtig für Zwickau.“

Die Berichte damals hätten zwei Dinge bewirkt, sagt der DDR-Bürgerrechtler und Ehrenbürger der Stadt, Erwin Killat. „Manche Leute sind sensibler geworden. Andere wieder sagten: Kocht das nicht so auf.“ In der Stadt wird diskutiert, wie an die NSU-Opfer erinnert werden kann. Killat plädiert dafür, das Mahnmal für die Opfer des Faschismus im Park am Schwanenteich nahe dem Stadtzentrum zu erweitern.

Eine mächtige, steinerne Anlage mit Treppenaufgängen, einem großen, roten Dreieck in der Mitte, von grünenden Hecken umgeben. Ein richtiger Ehrenhain. „Das Denkmal steht in der Gefahr, Mahnmal für Zurückliegendes zu sein“, sagt Killat. „Wir wollen es in die Gegenwart holen und sagen: Das hat 1945 nicht aufgehört. Es gibt noch immer Opfer aus dem gleichen Geist.“ Killat kann sich Texttafeln am Denkmal vorstellen, die auf die NSU-Opfer hinweisen. Noch bis Ende Mai will das Zwickauer Bündnis für Demokratie und Toleranz die Einwohner nach ihrer Meinung befragen.

Die Rechtsextremisten sind aus Zwickau nicht verschwunden. „NSU ist wieder da“, haben Unbekannte Mitte April dürr, blau und krakelig an das Gewerkschaftshaus geschmiert. Dazu ein Hakenkreuz und die Zahl 88 - in der Neonaziszene der Code für „Heil Hitler“.

„Es gibt in Südwestsachsen eine gut vernetzte rechtsextreme Szene, die im Untergrund funktioniert“, ist Sabine Zimmermann überzeugt, die DGB-Chefin der Region, die auch als Abgeordnete für die Linke im Bundestag sitzt. Die drei NSU-Leute seien nicht zufällig nach Zwickau gekommen. Sie wirft der Politik in Stadt und Freistaat vor, nach dem anfänglichen Schrecken wieder zur Tagesordnung übergegangen zu sein. „Die Stadt will darüber nicht mehr reden, der Freistaat streicht an Mitteln für Projekte gegen Rechts. Das dürfen wir nicht zulassen“, sagt sie.