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«Zur Weintraube» in Höhnstedt «Zur Weintraube» in Höhnstedt: Schänke zum Glücklichsein

Von ralf böhme 06.07.2012, 15:23

Halle (Saale)/MZ. - Elternabend einmal anders. In Höhnstedt (Saalekreis) finden solche Treffen nicht unbedingt im von der Sonne aufgeheizten Klassenzimmer statt. Nein, unter großen Kastanienbäumen klappt es nämlich genau so oder gar noch besser. Ein Grund: Die sommerliche Schwüle ist im Schatten des dichten Laubes erträglich - und der Wirt der "Weintraube" sorgt auf dem Freisitz vor dem Gasthaus flink für erfrischende Getränke.

Einheimischen wie Besuchern von auswärts fällt es leicht, hier ihren Durst zu löschen. Mineralwasser, Säfte und Bier in Premium-Qualität - das ist heutzutage natürlich fast eine Selbstverständlichkeit. Indes, die Vielzahl der Weine auf Spitzenniveau und zwar ausschließlich von Höhnstedter Lagen - das ist schon eine Spezialität des Gastgebers.

Verblüffende Detailkenntnis

So kann jeder, der will, seine individuelle Verkostungsstrategie entwickeln und nach Gaumeslust testen. Fragen beantwortet Steffen Kleiber, der das Restaurant im ländlichen Ambiente seit sechs Jahren führt, gern, geduldig und verständlich. Mit seiner Detailkenntnis über die Region und ihre Erzeugnisse kann der Gastronom sicher mit vielen Winzern mithalten. Ein Wunder ist das nicht, stammt Kleiber doch ganz aus der Nähe - aus dem Saalekreis-Dörfchen Queis vor den Toren von Halle. Zudem blickt der gelernte Koch auf einige Stationen zurück, die eng mit dem Weinbau verbunden sind - Franken und Rhein-Hessen gehören dazu.

Neben seinem umfänglichen Weinangebot ist Kleiber für deftiges Essen bekannt. Mancher spricht von "gehobener Hausmannskost". Da ist sicher mehr als ein Körnchen Wahrheit dabei. Und nach dem Verzehr eines herzhaften Bauernfrühstücks kann man es durchaus als Kompliment auffassen. Da langt selbst die Dame am Tisch kräftig zu. Es ist knusprig, aber nirgends angebrutzelt, duftend-würzig, geschmacklich aber in wohltuender Balance. Nicht jeder packt das Einfache, das manchmal schwer zu machen ist, so gekonnt. Kleibers Gradmesser: "Ich koche so, dass es auch meinen beiden Kindern schmeckt." Manchmal schauen ihm die beiden Jungen dabei zu und helfen zuweilen auch.

Natürlich kann ein Mann von 40 Jahren, der sich erfolgreich gegen die Konkurrenz von Straußwirtschaften, Weingütern und Fischerhof behauptet, noch mehr. Die "Weintraube" erfreut sich einer beträchtlichen Zahl von Stammgästen aus der Umgebung und aus Halle. Da ist Abwechslung geradezu Pflicht. Kleiber setzt deshalb, wie er sagt, auf die "etwas andere Karte". Ein Blick genügt, um zu erfahren, was das im Moment bedeutet: Gerade beginnt für ihn die Saison der Pfifferlinge. "Pilze geben den extra Pfiff", meint der Familienvater, der seit zwei Jahrzehnten die Kochmütze trägt. Nur mit ein wenig Limettensaft, Salz und Pfeffer gewürzt, später mit Sahne und gehackten Kräutern wie Thymian oder Schnittlauch verfeinert, bleibt Kleiber nahe bei Mutter Natur. Und die schonende Zubereitung, Kleibers Mitbringsel aus der Schweiz, bewahrt zudem die gesunden Inhaltsstoffe - Vitamine, Eiweiß und Kalium. So wird niemand, der sich die gewiss nicht zu klein geratenen Pfifferlingsportionen munden lässt, um ein Lob der bodenständigen Küche herum kommen.

Legendär sind auch seine Martinsgans-Essen. Gleichfalls im November gibt es Abende unter dem Motto "Wein und Wild". Alle Lieferanten arbeiten und leben praktisch "gleich an der nächsten Ecke" - Winzer und Jäger des über 1 000-jährigen Dorfes. Wildbret nach Kundenwunsch - das ist ein gutes Rezept, wie die Erfahrung bestätigt. Es macht, so Kleiber, viele Absprachen einfach und hält das finanzielle Risiko in Grenzen.

Doch noch einmal zurück zum Wein, der hier im nördlichsten deutschen Weinbaugebiet gedeiht. Wirklich im nördlichsten? An dieser Frage scheiden sich seit langem die Geister, auch unter ausgesprochenen Weinkennern. Amtlicherseits ist die Entscheidung längst gefallen: Laut einer vom Bundesrat bestätigten Weinverordnung kommt dieser Status dem "Stargarder Land" in Mecklenburg-Vorpommern zu - einer Rebfläche von gerade einmal 3,7 Hektar. Dagegen erscheint die 21 Kilometer lange Weinstraße "Mansfelder Seen", zu der Höhnstedt gehört, geradezu riesenhaft. Allein auf den Hängen rund um das Weindorf, das natürlich einen goldenen Winzer und eine goldene Traube im Wappen trägt, gedeihen sieben Rebsorten auf mehr als 60 Hektar.

Und gerade der Jahrgang 2011 habe das Potenzial zum Glücklichsein - allesamt Tropfen, die nicht zuletzt vom besonderen mineralischen Reichtum des hiesigen Buntsandsteins zeugen. Da sind sich der Wirt und die zurzeit prominenteste Höhnstedterin - Elisabeth Born, die amtierende Deutsche Weinprinzessin einig. Ob der frisch-spritzige Müller-Thurgau mit der leichten Muskatnote oder die süffigen Silvaner, Gutedel oder Traminer - über die Weißen lässt sich nur Gutes sagen. In der roten Fraktion ist wohl vor allem der kräftige Portugieser vom Kelterberg eine Empfehlung wert. Einer der edlen Tropfen sollte deshalb in jedem Fall zum Essen gehören.

Ob Schweinerücken oder Lammhaxe - wie Kleiber das mit Kennerblick ausgewählte, zarte Fleisch auf den Teller bringt, erinnert an irgend etwas, das man schon kennt. Ja, das ist es - so oder wenigstens so ähnlich kocht man im oft ausgezeichneten Hotel "Zum Stein" am Wörlitzer Park. Und es stimmt tatsächlich. Den letzten Schliff vor dem Sprung in die Selbstständigkeit holte sich der heutige "Weintraube"-Wirt dort bei Familie Pirl. Freilich, einen Unterschied zum Wellness-Hotel mit Sternen gibt es schon: In Höhnstedt ist alles etwas kleiner.

Bauernsalat aus Bulgarien

Kleiber: "Höhnstedt ist mächtig voran gekommen, aber im Grunde ist der Ort deutschlandweit doch immer noch ein Geheimtipp." So genügen 50 Plätze im Gastraum und noch einmal 30 auf dem Freisitz. Hinzu kommen einige Pensionszimmer - geschätzt von Wan-derfreunden, Radtouristen und kleine Reisegruppen, die selten länger als zwei, drei Tage bleiben. Deshalb vertraut Kleiber auf eigene Kräfte - auf sich und seine Frau, übrigens eine gebürtige Bulgarin.

Wen wundert es da, dass auf der Liste der Vorspeisen etwas Landestypisches auftaucht. Ein Bauernsalat aus der Region Sofia ist im Angebot. Bulgarien-Urlauber kennen ihn als Schopska-Salat: Tomaten, Gurken, roher oder gebratener Paprika, Zwiebeln, Petersilie, Salz, Zitronensaft oder Essig, Öl und Salzlakenkäse - ein erfrischendes Gemisch, in der Hitze des Balkans bewährt und auch hier richtig.