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Zählung Zählung: Hasenjagd mit Strichliste

Von ANNE PASSOW 10.04.2009, 16:33

KROPPENSTEDT/MZ. - Mathias Ködel lässt für einen Moment den außen an der Beifahrertür befestigten Handscheinwerfer los und macht einen Strich auf seiner Liste. Dann sucht er mit geübtem Jägerblick weiter das Feld ab. Ködel ist an diesem Abend im April mit seinem Kollegen Oliver Thärig für den Landesjagdverband Sachsen-Anhalt unterwegs: Die beiden zählen die Feldhasen rund um das Vogelschutzgebiet Hakel in der Börde.

Zahlreiche ihrer Kollegen in anderen Teilen der Bundesrepublik erfassen derzeit ebenfalls den Hasenbestand. In mehr als 500 sogenannten Referenzgebieten findet die Frühjahrszählung des Deutschen Jagdschutzverbandes (DJV) statt. Das Ziel: "Wir wollen einen Überblick über den Gesamtbestand und über Schwankungen in der Population bekommen", sagt Thärig. Gibt es zu wenig Hasen, könnten beispielsweise Projekte zur Ackerbegrünung gestartet werden, um das Nahrungsangebot für die Tiere zu verbessern. "In der Börde fördern wir solche Biotopmaßnahmen seit Jahren", so Thärig.

Und während der 29-jährige Jäger aus Kroppenstedt den Geländewagen im gemächlichen Tempo über den Feldweg steuert, redet er über sein Zählgebiet. "Unsere Strecke ist mit etwa 54 Kilometern vergleichsweise lang", sagt er. "Etwa sechs Stunden brauchen wir, um sie abzufahren." Weil sich Hasen erst in der Dämmerung auf das freie Feld wagen, bedeutet die Zählung für Thärig und den 31-jährigen Ködel eine Nachtschicht.

Von kurz vor neun Uhr abends bis etwa drei Uhr nachts werden die Zwei diesmal unterwegs sein. "Da braucht man schon ab und an ein Erfolgserlebnis, um nicht einzuschlafen", sagt Ködel und leuchtet ins Feld. Gut 150 Meter weit reicht sein Scheinwerfer. "Insgesamt erfassen wir bei unserer Zählstrecke etwa 800 Hektar", sagt er - um gleich darauf "Da!" zu rufen. Mitten auf dem Feld leuchten Augen auf. "Zwei Hasen, wahrscheinlich ein Männchen und ein Weibchen", vermutet Ködel und setzt zwei Striche auf seine Liste.

Greifvögel fangen Junghasen

Dass er Hasenaugen gesichtet hat, erkennt Ködel sofort. Erstens, weil sie in der Dunkelheit hell aufleuchten. "Die Augen vom Fuchs leuchten zum Beispiel rot", so Ködel. "Außerdem sieht man wegen der Kopfform niemals beide Augen des Hasen gleichzeitig." Und dann plaudert Mathias Ködel über die Fortpflanzung der fruchtbaren Tiere. "Etwa drei Mal wirft eine Häsin pro Jahr jeweils zwei bis drei Junge." Der Nachwuchs hat es dann nicht leicht zu überleben. Fuchs und Dachs lauern überall. "Und Greifvögel fliegen oft die Traktorrillen der Felder ab und schnappen sich die Hasenjungen", erzählt Oliver Thärig. Weizen oder Mais stehen oft so eng, dass sie für die Hasen fast wie eine Wand wirken. Sie können sich dann nicht schnell genug in den schützenden Feldern in Sicherheit bringen.

Aber auch Spritzmittel gegen Unkraut machen den Hasen zu schaffen. "Die Tiere ernähren sich am liebsten von Unkraut wie Klee, wilden Möhren oder Löwenzahn. Das finden sie nur noch an den Feldrainen," so Thärig. "Und die werden immer schmaler." Das ist auch ein Grund, warum beispielsweise in Niedersachsen deutlich mehr Feldhasen leben als in Sachsen-Anhalt. "Dort gibt es mehr kleine Felder als bei uns, also auch mehr Feldraine mit Nahrung", sagt Thärig - und drosselt die Geschwindigkeit des Wagens. Mathias Ködel hat während der Schleichfahrt am Feldrand zwei weitere Hasen angeleuchtet, die nun in der Dunkelheit verschwinden.

Während bei der letzten Herbstzählung in Niedersachsen weit mehr als 20 Tiere über 100 Hektar Feld hoppelten, waren es in Sachsen-Anhalt im Schnitt nur 5,9 Hasen. "Dabei liegt das Gebiet um den Hakel deutlich über dem Landesdurchschnitt", sagt Thärig. "Bei unserer ersten Zählung in diesem Frühjahr haben wir 9,8 Hasen pro 100 Hektar ermittelt."

Mit den Ergebnissen der zweiten Zählung, die Thärig und Ködel in dieser Nacht durchführen, wird schließlich ein Mittelwert errechnet, der dann in die offizielle Statistik der bundesweiten Frühjahrszählung 2009 einfließt. Eines ist für Thärig schon jetzt klar: "Insgesamt haben wir in Sachsen-Anhalt viel zu wenige Hasen."

Einstige "Hasenhochburg"

Als ideal gelte ein Wert zwischen 20 und 30 Tieren auf 100 Hektar. Werden so viele Hasen gezählt, darf auch gejagt werden. Früher habe es deutlich mehr der Tiere gegeben als heute. "Einst wurde die Börde auch Hasenhochburg genannt", berichtet Mathias Ködel. Kesseltreiben auf die Feldhasen fanden damals regelmäßig statt.

Inzwischen verzichten Jäger wie Oliver Thärig und Mathias Ködel auf den selbstgeschossenen Hasenbraten - auch, um den Hasenbestand zu schonen. Zu Ostern spielt das Tier für Thärig dennoch eine wichtige Rolle. "Ich habe zwei kleine Nichten. Mit denen suchen wir Schokoeier - und die hat natürlich der Osterhase versteckt."