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Wissenschaft Wissenschaft: Erbgutspezialisten tagen in Magdeburg

Von Sabine Heimgärtner 28.06.2006, 09:28
Professor Dr. Dieter Krause, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin an der Otto-von Guericke-Universität in Magdeburg betrachtet in einem Labor eine DNA-Folie, aufgenommen am Dienstag (27.06.2006). (Foto: dpa)
Professor Dr. Dieter Krause, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin an der Otto-von Guericke-Universität in Magdeburg betrachtet in einem Labor eine DNA-Folie, aufgenommen am Dienstag (27.06.2006). (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Magdeburg/dpa. - Den zahlreichen, eher nicht fachkundigenJournalisten, die ihn anlässlich der Jahrestagung der DeutschenGesellschaft für Abstammungsbegutachtung besuchen, erklärt derDirektor des Magdeburger Instituts für Rechtsmedizin damitanschaulich die Grundbegriffe der DNA-Tests: MolekularbiologischeVerfahren, die bestimmte Muster in dem perlenkettenartig aufgereihtenErbmaterial feststellen können.

Trotz seiner enormen Fachkenntnisse und mehr als 200 Publikationenhat Krause nicht die Fähigkeit verloren, Laien die kompliziertenSachverhalte der DNA-Analyse zu erklären. Seine Lieblingsgeschichteist die von der griechischen Göttin Hera, die von den DNA-Spezialisten als Urmutter angesehen wird. «Sie war leiblicheSchwester und gleichzeitig Gattin von Göttervater Zeus, beobachtetemit Argusaugen die Seitensprünge ihres Gemahls und analysierte ihreKonkurrentinnen und Stiefkinder - natürlich unwissenschaftlich, quasihinterm Busch», scherzt Krause.

Dass solche nett erzählten Anekdoten durchaus Verbindungen zurheutigen Forschung haben, zeigt die Tagungsordnung des MagdeburgerKongresses: «Hera, die Schutzgöttin der Abstammungsbegutachtung oder:Wie uns das Fortpflanzungsverhalten der Olympischen an unsereGutachtenaufträge erinnert», heißt es dort. «Mit den Raffinessen desFremdgehens haben wir Rechtsmediziner zwar nichts zu tun, aber wirverzeichnen zunehmend Anfragen nach heimlichen Spurengutachten», sagtKrause.

Immer häufiger kämen Privatleute ins Institut, im GepäckHandtücher, Unterwäsche, Weingläser oder Zigarettenkippen. «Egal, wases kostet, die Leute wollen, dass wir ihren Partnern hinterherspionieren und das lehnen wir strikt ab.» Konkurrenten der strengnach moralisch-ethischen Prinzipien tätigen Rechtsmediziner an denUniversitäten sind allerdings längst Labore, die Geld verdienenwollen, auch mit heimlichen Vaterschaftstests. «Über alle dieseProbleme wird der diesjährige Kongress beraten, denn je einfacher dieVerfahren werden, desto mehr bekommen wir den gläsernen Menschen aufdem privaten Sektor.»

An die Bundesregierung will der Kongress deshalb appellieren, imRahmen des geplanten Gentechnikgesetzes die heimlichenVaterschaftstests unter Strafe zu stellen und die Hürden für einelegale Anfechtung der Vaterschaft deutlich zu senken. Erreicht hatdie Gesellschaft bereits vieles. Beispielsweise ist es seit Ende 2005möglich, auch ohne grünes Licht eines Richters zur Aufklärung vonStraftaten in der Datenbank des Bundeskriminalamts gespeicherte DNA-Muster zu verwerten.

In diesem Jahr hofft Krause gleich auf mehreren Gebieten aufinnovative Signale: Vorgestellt werden sollen neue Methoden zurAnalyse ausgefallener Haare, die bislang für DNA-Tests nur geeignetwaren, wenn sie mit der Wurzel herausgerissen wurden. Neue Wege beider Opferidentifizierung nach Massenkatastrophen werdenWissenschaftler aufzeigen, die DNA-Proben von Opfern in den Tsunami-Gebieten mitbrachten. «Wegen der extremen Feuchtigkeit und Hitze wardas Material nur sehr schwer auszuwerten, aus diesen Erfahrungenmüssen wir weltweit lernen und labortechnische und organisatorischeVerbesserungen in Angriff nehmen», sagte Krause.

Schließlich gibt es neue Errungenschaften auf dem klassischenArbeitsgebiet der DNA-Forscher, der Ahnen- und Geschichtsforschung,die häufig bei Erbstreitigkeiten eine Rolle spielt. «Klassischer Fallist der uneheliche adlige Spross ostpreußischer Abstammung, dermeint, er hätte das Anrecht auf einige Schlösser im Westen», scherztKrause. Heute sei es möglich, Blutsverwandtschaften über viel mehrGenerationen hinweg zu bestimmen als noch vor einigen Jahren. Dazusteht der Wissenschaft seit kurzem ein komplexes Testbesteck zurVerfügung, mit dem DNA-Merkmale auf dem Geschlechtschromosom X bisins kleinste Detail untersucht werden können.