1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Wismut AG: Wismut AG: Von 130 000 Angestellten blieben 2000 übrig

Wismut AG Wismut AG: Von 130 000 Angestellten blieben 2000 übrig

Von Alexander Schierholz 30.08.2006, 18:54

Ronneburg/MZ. - Klaus Hinke tippt auf ein weißes A-4-Blatt, das mit unzähligen dünnen bunten Linien übersät ist. Für Laien sieht das Papier aus wie ein wirrer U-Bahn-Plan. "Das waren alles Schächte", sagt der Bergbau-Ingenieur. "Die Bergleute haben Picasso dazu gesagt, weil es so bunt ist."

Aber die Bergleute sind fast alle weg. Rund 2 000 von - zu besten Zeiten im Jahr 1950 - 130 000 Angestellten der einst sowjetisch-deutschen Aktiengesellschaft und jetzigen Wismut GmbH sind geblieben. Sie räumen die Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus auf, den die Wismut bis 1990 in Sachsen und Ostthüringen betrieben hat. Klaus Hinke ist einer von ihnen. Oder besser: war. Bis er 2003 in den Ruhestand wechselte, leitete er die Abteilung Umweltschutz Ostthüringen des Bundesunternehmens. Jetzt führt er Besuchergruppen durchs ehemalige Revier.

Die Schächte, von denen Hinke spricht, lagen direkt neben dem thüringischen 6 000-Einwohner-Städtchen Ronneburg. Dort ist vom Bergbau schon nichts mehr zu sehen. Stattdessen: Wiesen, Wege, Bäume, modellierte Terrassen, ein Aussichtsturm. Eine Landschaft vom Reißbrett. Die "neue Landschaft Ronneburg". Der Name ist Programm. Die 45 von insgesamt rund 1 700 Hektar Wismut-Gelände in Thüringen gehören jetzt der Bundesgartenschau (Buga) 2007. Sie eröffnet am 27. April in Ronneburg und Gera. Ein Wandel vom Bergbaurevier zur Erholungszone.

"Vor drei Jahren haben wir in Ronneburg mit der Umgestaltung angefangen", blickt Buga-Marketingleiter Rainer Blencke zurück. Bis dahin sah es am Stadtrand, unmittelbar neben dem ehemaligen Tagebau Lichtenberg, so ähnlich aus wie heute noch wenige Kilometer weiter östlich - auf den Paitzdorfer Halden: eine schwarzgraue schlammige Masse, die Stück für Stück abgetragen wird. Planierraupen schieben Geröll zusammen. Riesige Radlader, deren Schaufeln 18 Kubikmeter fassen, verfrachten es in Kipplastwagen, die bis zu 136 Tonnen aufnehmen können.

Zwei Schichten der Halden von jeweils zehn Metern Höhe sind noch übrig. "Bis Jahresende muss das weg", sagt Wismut-Sprecher Frank Wolf. Mit dem Abraum wird der frühere Tagebau gefüllt und anschließend abgedeckt. Die Paitzdorfer Halden sind die letzten im Revier südlich der A 4, die weichen müssen. Später sollen an ihrer Stelle Bäume gepflanzt werden.

Jeder Besucher, der die Halden oder den Ex-Tagebau betritt, braucht Gummistiefel. Nicht nur wegen des Schlamms oder - bei Trockenheit - Staubs. Sondern auch, weil das Gestein "schwach radioaktiv", so Hinke, belastet ist. Mit 0,6 Becquerel pro Gramm. Ein Kilo Kaffee enthält - natürlicher Weise - 1 000 Becquerel. Also kein Grund zur Sorge? Auch nicht auf dem Buga-Gelände? Weil die Wismut kaum als objektiv in eigener Sache gelten kann, zitiert Hinke gern aus einem für die Buga erstellten Gutachten des renommierten Freiburger Öko-Instituts. Danach werden die Grenzwerte, "selbst bei einem Daueraufenthalt auf dem Buga-Gelände", eingehalten. "Die Strahlenbelastung", folgert Hinke, "ist vollkommen normal."

Ausgerechnet das Öko-Institut. "Was haben die früher Böses über die Wismut geschrieben", erinnert sich Hinke, der sein ganzes Berufsleben dort verbracht hat. 1964 fing der gebürtige Leipziger, Jahrgang 1939, nach dem Studium als Steiger an. Er arbeitete sich hoch, wurde Schichtleiter und technischer Direktor. Als Rentner sieht er nun zu, wie die Wismut sich langsam zurückzieht. Wehmut kommt bei ihm dennoch nicht auf. "Es ist ein gutes Gefühl, etwas zu Ende bringen zu können. Und es entsteht ja wieder eine schöne Landschaft." Eine neue Landschaft.