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Bürgerproteste in Kabelsketal Nein zu 3000 Jobs: Gemeinde entscheidet sich gegen großen Industriepark bei Halle

Nach massiven Bürgerprotesten wird ein Industriepark bei Halle nicht entwickelt. Wie Sachsen-Anhalts größte Stadt nun weiter vorgehen will.

Von Steffen Höhne und Jonas Nayda Aktualisiert: 02.12.2022, 11:00
Die Gemeinde Kabelsketal hat sich gegen die Entwicklung des Industrieparks ausgesprochen.
Die Gemeinde Kabelsketal hat sich gegen die Entwicklung des Industrieparks ausgesprochen. Foto: Jan Woitas/dpa

Halle/MZ - Erstmals seit Jahren ist durch Bürgerproteste in Sachsen-Anhalt ein Großprojekt gescheitert. Eine Anwohnerinitiative mobilisiert gegen das geplante Industriegebiet „Star Park II“, das vor den Toren Halles entstehen sollte. Der Gemeinderat Kabelsketal hat daraufhin am Mittwochabend mit knapper Mehrheit gegen die Entwicklung des Gewerbegebietes gestimmt.

Ein 200 Hektar großes Areal sollte für 150 Millionen Euro erschlossen werden, um Großansiedlungen zu ermöglichen. Bis zu 3.000 neue Jobs wären möglich gewesen.

Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK), Reinhard Schröter, bedauert die Entscheidung: „Größere zusammenhängende Industrieflächen sind rar, werden aber gebraucht, wenn wir uns nicht von diesem für Wertschöpfung und Wohlstand in unserer Region so wichtigen Grundbaustein verabschieden wollen.“

Mittel für den Bau des Industrieparks kommen aus Kohle-Fonds

Als „fatales Signal“, sieht Sachsen-Anhalts Arbeitgeberpräsident Marco Langhof die Entscheidung. Die Region Halle könne es sich nicht leisten, wegen fehlender Flächen große Investoren abzuweisen. Nach Angaben von Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) sei das Land auch mit potenziellen Unternehmen schon im Gespräch. „Die Entscheidung der Kommune ist aber zu respektieren“, so der Minister.

Hintergrund: Das große Gewerbegebiet „Star Park I“ ist bereits voll. In unmittelbarer Nähe sollte der „Star Park II“ entstehen. In der Region gebe es genug Arbeitsplätze, es fehle überall an Personal, schreibt dagegen die Bürgerinitiative, die vor allem den zusätzlichen Verkehr und Lärm für die Anwohner fürchtete. Für den Industriepark, der vor allem aus Strukturfondsmitteln aus dem Kohle-Ausstieg finanziert worden wäre, hätten Landwirte ihren Acker verkaufen müssen. Landwirt Thomas Wahren fürchtete um seine Existenz. „Dann kann ich dichtmachen“, sagte er.

Größere zusammenhängende Industrieflächen sind rar

Reinhard Schröter, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau

Wirtschaftsminister Schulze will nun nach vorn blicken: „Wir halten an dem Projekt fest und sind mit anderen Kommunen im Saalekreis im Gespräch.“ Auch Arbeitgeberchef Langhof betont, dass es mit der „Gemeinde Teutschenthal ein Backup gibt“.

Lesen Sie auch: „Ein fatales Signal“ - Arbeitgeberchef zu Aus von Industriepark „Star Park II“

Auch beim Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle gibt es massive Proteste

Proteste gegen große Infrastrukturprojekte gibt es auch an anderer Stelle: So steht der geplante Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle für die Frachtflugairlines von DHL und Amazon massiv in der Kritik. Mehrere Bürgerinitiativen fordern einen Stopp. Der Freistaat Sachsen will daher betroffene Gemeinden mit 40 Millionen Euro entschädigen. So könnte die Stadt Schkeuditz eine neue Schwimmhalle bekommen (die MZ berichtete). Die Gegner des Ausbaus sprechen von einem „Schweigegeld“. Das Land Sachsen-Anhalt plant keine solche Entschädigungen.

Nach Ansicht von Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut in Dresden nehmen Proteste gegen solche Großprojekten generell zu. „Kritik einzelner Bürger gab es schon immer, doch heute organisieren sich diese besser und erhalten auch politische Unterstützung“, sagte Ragnitz zuletzt der MZ. Ragnitz weist allerdings auch darauf hin, dass die Kommunen von den Investitionen häufig zu wenig profitieren. „Wenn die Steuermehreinnahmen über den kommunalen Finanzausgleich gleich wieder abfließen, dann sind kritische Nachfragen der Bürger berechtigt“, sagte Ragnitz.

Bei der jetzt beginnenden intensiven Suche nach einem neuen Standort für den Star Park II sollte nach Auffassung von Schröter von der IHK „die Verkehrsbelastung früh in die Planungen einbezogen werden“. Einen Bahnanschluss vorzusehen, der Entlastung bringen kann, wäre sinnvoll. „Und schließlich sollte die Bevölkerung frühzeitig und transparent in die Überlegungen eingebunden werden.“