1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. 17-Milliarden-Euro-Investition: Intel-Chipfabrik in Magdeburg verzögert sich: Kein Termin für Baustart mehr

17-Milliarden-Euro-Investition Intel-Chipfabrik in Magdeburg verzögert sich: Kein Termin für Baustart mehr

Im ersten Halbjahr 2023 sollte der Bau der Chipfabriken in Magdeburg beginnen. „Vieles hat sich verändert“, sagt ein Firmensprecher. Warum der US-Konzern nun kein Datum mehr nennt.

Von Steffen Höhne und Kai Gauselmann Aktualisiert: 17.12.2022, 23:29
Die Computergrafik zeigt, wie eine der neuen Chipfabriken in Magdeburg aussehen soll.
Die Computergrafik zeigt, wie eine der neuen Chipfabriken in Magdeburg aussehen soll. Fotografik: Intel

Magdeburg/MZ - Als Intel-Chef Patrick Paul „Pat“ Gelsinger Mitte November in Magdeburg Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) getroffen hat, lächelten noch beide in die Kamera. Es wurde Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass der US-Konzern zwei riesige Chip-Fabriken vor den Toren der Landeshauptstadt errichten will. Einen offiziellen Pressetermin gab es aber nicht, Fragen zum Projektstand waren nicht erwünscht. Nun wird langsam klar, was wohl hinter verschlossenen Türen diskutiert wurde: Der geplante Baustart, den Intel selbst für das erste Halbjahr 2023 anvisiert hatte, verschiebt sich.

„Es hat sich vieles verändert, seit wir unsere Pläne für den Bau eines neuen Halbleiterfabrik Standorts in Deutschland bekanntgegeben haben: Die Herausforderungen auf geopolitischer Ebene sind gewachsen, die Nachfrage nach Halbleitern ist gesunken und der Druck durch Inflation fordert die Weltwirtschaft heraus“, sagte Intel-Sprecher Benjamin Barteder, der MZ. Über die Verzögerung hatte zuerst die „Magdeburger Volksstimme“ berichtet. Auf MZ-Anfrage will sich das Unternehmen überhaupt nicht mehr festlegen, wann die Bagger rollen sollen. „Wir werden mehr Details bekanntgeben, sobald wir können“, so Barteder weiter.

Es gibt aktuell drei Herausforderungen für den Bau der Chip-Fabriken

Es gibt mindestens drei Gründe, die dazu führen, dass der Zeitplan nicht zu halten ist. Erstens die Finanzierung: Als Intel-Chef Gelsinger im März 2022 die 17-Milliarden-Euro-Investition in Magdeburg offiziell bekanntgab, tat er dies zusammen mit EU-Kommissarin Ursula von der Leyen. Das war ungewöhnlich und hatte folgenden Hintergrund: Da sich Chip-Fabriken in Asien billiger zu bauen und zu betreiben sind, will Gelsinger eine staatliche Milliardenhilfe. Die Bundesregierung ist gewillt, die Ansiedlung mit 6,8 Milliarden Euro zu fördern. Dazu müssen jedoch die EU-Wettbewerbshüter grünes Licht geben.

Von der Leyen hat dazu den sogenannten Chips-Act entwickelt, der die Subventionierung von Halbleiter-Firmen – nicht nur Intel – erlaubt. Doch frühestens im Frühjahr 2023 ist der Chips-Act für Intel durch alle Gremien. Das heißt: Die Förderung fließt noch nicht, daher werden auch keine Baufirmen beauftragt. „Grundsätzlich gilt, dass erst nachdem alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und vor allem das Notifizierungsverfahren zwischen Berlin und Brüssel abgeschlossen ist, der Zeitplan des Projektes weiter konkretisiert werden kann“, sagte Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) am Samstag.

Intel-Chef Pat Gelsinger (links) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff standen Mitte November vor dem Magdeburg Dom.
Intel-Chef Pat Gelsinger (links) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff standen Mitte November vor dem Magdeburg Dom.
Foto: Peter Gercke/dpa-Zentralbild/dpa

Zweitens haben sich die Baukosten durch hohe Materialpreise deutlich erhöht. Eine mit den Vorgängen vertraute Person spricht gegenüber der MZ davon, dass sich die Kosten um 15 Prozent erhöht hätten. Das heißt, statt 17 sind es eher 20 Milliarden, die der Bau der zwei Chipfabriken kostet. „Es gibt zahlreiche Faktoren, die die Baukosten beeinflussen. Unter ihnen befinden sich Energie, Arbeits- und Materialkosten, die durch Inflation und aktuellen Marktbedingungen gestiegen sind“, sagt Intel-Sprecher Barteder. „Wir arbeiten eng mit unseren Partnern in den Regierungen zusammen, um den besten Weg zu finden unsere Pläne in Magdeburg umsetzen zu können.“ Ob Intel wegen der gestiegenen Kosten mehr Fördermittel fordert, ist offen.

Das Baufeld wird bereits erschlossen

Von Seiten des Landes und der Stadt laufen alle Planungsmaßnahmen uneingeschränkt weiter. Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris: „Unser Zeitplan zur Vorbereitung der Investition ist unverändert. Die baufeldfreimachenden Arbeiten, unter anderem für die Umverlegung einer Stromleitung, schreiten voran. Für die archäologischen Untersuchungen sowie deren Dokumentation haben wir in dieser Woche die Vereinbarung mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie unterzeichnet. Am 2. Januar werden die Untersuchungen starten.“

Die dritte Hürde kann die Politik jedoch nicht beseitigen, und es könnte die Höchste sein. Intel-Chef Gelsinger steht selbst massiv unter Druck. Bei Intel ging im vergangenen Vierteljahr der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein sattes Fünftel zurück - und der Gewinn brach sogar um 85 Prozent ein. Das Unternehmen produziert vor allem Prozessoren für PCs und Laptops, die in der Corona-Pandemie stark gefragt waren. Nun brechen die Absätze ein, Fabriken sind nicht ausgelastet. Jetzt muss der 61-jährige Gelsinger einen Sparkurs auflegen, zur Debatte stehen Stellenstreichungen.

Gleichzeitig muss Intel aber auch in Zukunftsmärkte investieren. Das Wachstum im Chipgeschäft wird bei Smartphones, Smart-TVs und Smart-Home -Geräten erwartet. Doch hier haben asiatische Wettbewerber die Nase vorn. Die Herausforderung, gleichzeitig investieren und sparen zu müssen, hat Gelsinger gegenüber dem „Wall Street Journal“ so auf den Punkt gebracht: „Es ist, wie gleichzeitig auf Gaspedal und Bremse zu treten.“ Ob Gelsinger dieses Kunststück gelingt, werden die kommenden Monate zeigen. Wie prekär die Lage offenbar ist, wird daran deutlich, dass Landeswirtschaftsminister Schulze diese Aussage für nötig hält: „Im Übrigen gibt es seitens Intel keinerlei Aussagen darüber, dass das Projekt in irgendeiner Form gefährdet ist.“