Verfassungsgericht Verfassungsgericht: Polizeigesetz Sachsen-Anhalts in Teilen verfassungswidrig

Dessau-Roßlau - Sachsen-Anhalts Landesregierung hat vor dem Verfassungsgericht eine Niederlage einstecken müssen: Die Richter in Dessau erklärten gestern das im Februar 2013 von CDU und SPD verabschiedete Polizeigesetz von Sachsen-Anhalt in weiten Teilen für verfassungswidrig. Darunter fallen das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen und die Überwachung von Internet- und Mobiltelefonie.
Bei Zwangsbluttests von sogenannten Risikogruppen, also etwa Personen mit ansteckenden Infektionskrankheiten, und der Kameraüberwachung von Polizeikontrollen monierten die die Verfassungsrichter handwerkliche Fehler und forderten Nachbesserungen bis Ende 2015 - bis dahin sind die jetzigen Regelungen anwendbar. Einzig in der Abschaltung von Handynetzen beim Verdacht auf Terroranschlägen oder Geiselnahmen sahen die Richter die Verhältnismäßigkeit gegenüber Grundrechten gewahrt und wiesen die Klage zurück. Bislang hat die Polizei laut Innenministerium die neuen Rechte aber auch noch nicht genutzt.
Das Alkoholverbot ging auf Forderung der Kommunen und der SPD zurück. Um Trink-Exzessen vorzubeugen, sollten zu bestimmten Zeiten Verkauf und Genuss von Alkohol an öffentlichen Plätzen verboten werden. Laut Verfassungsgerichtspräsident Winfried Schubert fehlt aber der Nachweis, dass öffentliche Gelage zu mehr Straftaten führen. Die Überwachung von Telefongesprächen vor allem über das Internet sei ebenfalls verfassungswidrig, weil es keine technischen Voraussetzungen dafür gebe und damit auch keine Möglichkeit für Abwägungsentscheidungen.
Alltägliche Praxis bestätigt - mit Lernprozess
Bluttests wiederum müssen künftig von einem Richter angeordnet werden - bislang kann das die Polizei auch mit der Begründung, es sei Gefahr im Verzug, entscheiden. Die Kameraüberwachung von Polizeieinsätzen soll zudem nur zulässig sein, wenn es Anhaltspunkte für Gefahren gebe.
Gegen das Gesetz hatten 37 Abgeordnete der Linken und der Grünen geklagt. „Wir haben Rechtsgeschichte geschrieben“, sagte Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert. „Dass uns das Gericht in 80 Prozent aller strittigen Punkte recht gegeben hat, ist eine derbe Klatsche für Innenminister Holger Stahlknecht“, so Dalbert.
Von einer „erheblichen Bestätigung unserer Kritik am Gesetz“, sprach Linken-Fraktionschef Wulf Gallert: „25 Jahre nach der Friedlichen Revolution hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass man Grundrechte auch gegen politische Mehrheiten sichern kann.“ SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben erklärte, der CDU-Innenminister sei in die Schranken gewiesen worden.
Stahlknecht wertete das Urteil derweil als Erfolg: „Wir sind in wesentlichen Punkten bestätigt worden, die Rechte der Polizei wurden gestärkt“. Um Telefongespräche überwachen zu können, will er nun Spionagesoftware, den Staatstrojaner, anschaffen. An dem tüftelt das Bundeskriminalamt aber schon seit Jahren. (mz)
