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Verbraucherzentrale Verbraucherzentrale: Guter Rat seit 20 Jahren

Von ANTONIE STÄDTER 04.05.2010, 19:48

HALLE/MZ. - "Wir verkaufen doch gar keine Haustüren!" - Dieser Satz klingt Gabriele Emmrich noch immer in den Ohren. Der junge Handelsvertreter, der so sein Unverständnis äußerte, hatte offenbar noch nie von Haustürgeschäften gehört. An eben jenen sei sie nicht interessiert, hatte sie dem Mann erklärt, der mit einer Aktentasche voller Angebote vor ihr stand. Eine Anekdote wie aus einem Witzbuch. Gabriele Emmrich findet sie jedoch auch im Rückblick nicht wirklich lustig. Die Juristin hat beruflich immer wieder mit Fällen zu tun, bei denen Abzocker ihre Verträge per Haustürgeschäft an den Mann bringen. Als Verbraucherschützerin. Seit mehr als 18 Jahren.

Damit gehört sie zu jenen "alten Hasen", die die Geschichte der Verbraucherzentrale in Sachsen-Anhalt (VZSA) fast von Beginn an mit begleitet haben: Der Verein blickt heute mit einer Fachtagung in Magdeburg auf sein 20-jähriges Bestehen zurück. Die erste Beratungsstelle wurde im März 1990 in Halle eröffnet. Mitarbeiter des damaligen Amtes für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung hatten den Verein gegründet. Bis heute haben sich in den mittlerweile 17 Beratungsstellen rund 1,8 Millionen Verbraucher persönlich beraten lassen, sagt Emmrich. Anfangs waren oft Tipps zum Umgang mit Versandkatalogen, Zeitschriften-Abos, Krediten und Kaffeefahrten gefragt, erinnert sich die 56-Jährige, die 1992 im VZSA-Referat Recht anfing. "Die Verbraucher mussten sich neu zurechtfinden." Hatte es in der DDR zum Beispiel nur eine Versicherungsgesellschaft gegeben, boten nun etliche Vertreter ihre Policen an.

Auch die Verbraucherschützer betraten Neuland. "Es gab ja ein vollkommen neues Rechtssystem." Und so mussten anfangs erst einmal Gesetzestexte und Verordnungen gepaukt werden. Die Aufgaben der Geschäftsstelle in Halle waren zwar die gleichen wie heute: Mitarbeiter in den Beratungsstellen schulen, Fachinformationen einholen, Fälle prüfen oder Musterbriefe erstellen. Doch: "Wir haben ganz anders gearbeitet." Der Computer wurde nur genutzt, um gelegentlich per Diskette eine Datenbank über auffällige Anbieter aufzurufen. "Heute kann ich mir die tägliche Arbeit ohne Internet gar nicht mehr vorstellen", so die Verbraucherschützerin, die vielen MZ-Lesern aus Telefonforen bekannt ist. Das Technikwissen habe sie sich mit der Zeit angeeignet - als Mutter zweier internetbegeisterter Söhne sei das kein Problem gewesen.

Mit den Neuerungen erweiterte sich das Themenfeld der Verbraucherschützer. Denn: "Leider sind die Entwicklungen in der Technik immer einhergegangen mit den Ideen derer, die sie ausnutzen wollen, um Kohle zu machen - gerade auf dem Telekommunikationsmarkt", so Emmrich, die heute das Referat Recht leitet. So sorgten vor Jahren Dialer, Einwählprogramme für das Internet, bei vielen für extreme Telefonrechnungen. Mit ihnen waren - vom Verbraucher oft unbemerkt - teure Vorwahlen angewählt worden. Durch strengere Gesetze ist das kein aktuelles Problem mehr, sagt Emmrich. Doch weiter werden E-Mail-Postfächer mit Spam zugemüllt, Daten ohne Zustimmung weitergegeben und bei Abo-Fallen im Internet drohen versteckte Verträge.

Betroffenen helfen zu können, unberechtigte Forderungen abzuwehren, bestärke sie in ihrer Arbeit, sagt Gabriele Emmrich. Manchmal jedoch stehe man "wie Don Quijote vor Windmühlenflügeln". Bei dubiosen Jobvermittlungen zum Beispiel, bei denen Betroffenen mitunter mehrere tausend Euro abgenommen werden. "Besonders, wenn die Sorgen der Leute dafür genutzt werden abzuzocken, macht mich das wütend", sagt die Rechtsexpertin. "Da möchte man viel mehr tun können, als nur zu warnen und juristischen Beistand zu leisten."

Ein anderes Thema, das die Hallenserin, die nach der Uni zunächst in den Rechtsabteilungen zweier Betriebe gearbeitet hatte, auf die Palme bringt: Kaffeefahrten, ein Dauerbrenner in der Verbraucherzentrale. "Vor zehn Jahren hätte ich gesagt, das Problem nimmt ab. Seit zwei Jahren sage ich, es ist schlimmer als je zuvor", so Emmrich. "Besonders, wie da die Einsamkeit älterer Leute ausgenutzt wird, ist grausig", sagt sie. "Sie wollen oft nur einen schönen Tag in Gesellschaft verbringen - und werden über den Tisch gezogen."

Einerseits seien die Verbraucher heute aufmerksamer - andererseits sind aber auch die Themen umfangreicher und die Vertragskonstruktionen komplizierter, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale. Mancher Irrtum lasse sich auch über Jahre nicht aus der Welt schaffen. "Viele glauben zum Beispiel, dass ein Vertrag stets widerrufen werden kann." Dabei müssten die Bedingungen genau geprüft werden. Die typische Handbewegung eines Verbraucherschützers sei deshalb wohl das Wenden von Papier, sagt sie lachend. "Um zu schauen, was auf der Rückseite steht." Denn die Lösung vieler Verbraucherprobleme, die liege im Kleingedruckten.