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Vandalismus Vandalismus: Die Automaten-Knacker

Von KATRIN LÖWE 25.01.2011, 20:59

Halle (Saale)/MZ. - Sie kommen im Schutz der Dunkelheit. Und dann knallt es. In Mockrehna und Dahlen, in Grimma und Riesa (alles Sachsen), in Weißenfels und Bad Kösen (Burgenlandkreis). Es ist eine unheimliche Serie. Sechs Mal innerhalb kürzester Zeit werden Fahrkartenautomaten der Bahn gesprengt. Worauf es die Täter abgesehen haben, ist der Polizei schnell klar: Offensichtlich auf Geld. In mehreren Automaten fehlen nach der Detonation die Geldkassetten - bis zu 8 000 Euro können sie aufnehmen.

Noch sind die Fälle ungeklärt. Die Landeskriminalämter werten Spuren aus, in Sachsen ist eine vier Mann starke Sonderkommission gebildet worden, die auch alte Fälle untersucht, um die dreisten Automaten-Knacker zu fassen. Möglich, dass es in allen Fällen dieselben waren. Noch diese Woche soll es ein Treffen der Fahnder aus Sachsen-Anhalt und Sachsen geben.

Eines aber ist schon klar: Dass Automaten mechanisch aufgehebelt werden, gab es immer wieder einmal. "In dieser neuen Qualität aber haben die Angriffe zugenommen", sagt Torsten Henkel von der Bundespolizei. Die explosiven Grundlagen holt sich mancher Täter schlicht im Internet. Dort gibt es unzählige Anleitungen zum Bombenbau, die Community selbst ernannter Hobby-Sprengmeister ist groß. Im Frühjahr 2010 gab auch ein 20-jähriger Leipziger zu, sich den Bau der Rohrbombe, mit der er einen Fahrkartenautomaten auf einem S-Bahnhof sprengte, aus dem Netz abgeguckt zu haben. Der Lehrling wollte Geld. Inzwischen wurde er zu 20 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Nicht automatisch aber haben die Täter finanzielle Motive: Manche suchen "nur" den Kick beim großen Knall. Und das immer öfter. Sprengstoffexperten des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt sind im vergangenen Jahr sechsmal häufiger als 2009 zu gesprengten Briefkästen gerufen worden. Zehn Telefonzellen flogen in die Luft. "Die Zahl der Einsätze hat insgesamt 2010 erheblich zugenommen", sagt LKA-Sprecher Michael Klocke. Am häufigsten hatten die Experten es mit Pyrotechnik zu tun - darunter gefährliche Knaller aus Osteuropa. Aber auch selbst gebastelte Sprengsätze waren dabei. Und Explosionen an Automaten. Bei letzteren ist der Schaden oft weit größer als die Beute. Eine hohe fünfstellige Summe etwa nennt die Bahn pro Fahrkartenautomat.

Noch mehr wird es oft bei einer anderen explosiven Form der kriminellen Geldbeschaffung: der Sprengung von Geldautomaten. Per Schlauch leiten die Täter spezielle Luft-Gas-Gemische durch den Automatenschlitz ein und bringen sie zur Detonation. Eine extrem gefährliche Variante, wie Kai Holtappels von der Bundesanstalt für Materialforschung sagt. Auf einem Versuchsfeld jagt die Behörde selbst gemeinsam mit dem Zertifizierungs-Institut VdS Geldautomaten in die Luft, um sie letztlich sicherer zu machen. "70 bis 100 Kilogramm schwere Türen fliegen da 20 Meter weit", sagt Holtappels. Und die Gasgemische reagieren schnell - mitunter reiche die einfache elektrostatische Aufladung des Menschen zur Zündung aus.

Immer wieder legen Täter beim Versuch, einen Geldautomaten zu sprengen, "gleich das ganze oder doch das halbe Gebäude in Schutt und Asche", sagt VdS-Sicherungstechnik-Chef Paulus Vorderwülbecke. So geschehen 2010 bei einem Fehlschlag in Mecklenburg-Vorpommern. Dumm gelaufen für die Täter: Der Tresor im Automaten blieb damals ganz.

Die Tresore lassen sich heute so konstruieren, dass sie Gassprengungen standhalten, so Vorderwülbecke. Mittlerweile sei eine Reihe Automaten als sicher zertifiziert und ohne Gebäudeumbau auswechselbar. Der flächendeckende Austausch aber, so Holtappels, ist eine kostenintensive und langwierige Sache. Manche Bank setze auch Farbbeutel ein, die Geld bei Explosionen unbrauchbar machen.

Fahrkartenautomaten indes, so VdS-Mann Vorderwülbecke, sind instabiler als hochwertige Geldautomaten, die Sprengung schwer zu kalkulieren. "Die Gefahr, sich selber oder Dritte zu verletzen, ist einfach zu hoch." Nicht umsonst werden nach den jüngsten Fällen selbst Zeugen gewarnt: "Sie sollten auf keinen Fall gesprengte Geräte anfassen", so Polizeisprecher Siegfried Koch. Weil das Metall unter Strom stehen könnte. Weil keiner weiß, ob noch Sprengstoff im Automaten ist, der hochgehen kann.