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Urteil aus Karlsruhe Urteil aus Karlsruhe: Richterbesoldung in Sachsen-Anhalt teils verfassungswidrig

Von Hendrik Kranert-Rydzy und Kai Gauselmann 05.05.2015, 09:01
Erfolgreiche Kläger vor Gericht: Staatsanwalt Norbert Hartge, Richter Rainer Frank, Rechtsanwältin Martina Karoff aus Hannover, Richter Bernd Harms und Richter Werner Schade
Erfolgreiche Kläger vor Gericht: Staatsanwalt Norbert Hartge, Richter Rainer Frank, Rechtsanwältin Martina Karoff aus Hannover, Richter Bernd Harms und Richter Werner Schade Norbert Hartge Lizenz

Magdeburg - Wenn einem Besonderes widerfährt, ist das etwas Pathos wert: „Heute ist ein guter Tag für alle Richter und Staatsanwälte in Deutschland“, sagte gestern der hallesche Staatsanwalt Norbert Hartge. Zuvor hat der 52-Jährige zusammen mit drei Richtern aus Sachsen-Anhalt einen Triumph vor dem höchsten deutschen Gericht gefeiert. Das Bundesverfassungsgericht gab der Klage des Quartetts statt und entschied, dass Sachsen-Anhalt die Richter und Staatsanwälte zu schlecht bezahlt.

Besoldung war verfassungswidrig

Genauer: Die Besoldung zwischen 2008 und 2010 in der Einstiegs-Gehaltsgruppe R1 war verfassungswidrig. 2010 lag das entsprechende Grundgehalt bei 3360,21 Euro im Monat. Das Urteil hat auch grundsätzliche Bedeutung, weil das Gericht erstmals eine Untergrenze für die Besoldung von Richtern und Staatsanwälten definierte. Seit 2006 können die Länder die Besoldung ihrer Spitzenjuristen selber regeln. Ob das angemessen ist, dafür hat das Gericht nun fünf Parameter festgelegt. Unter anderem darf es keine Abweichung um mehr als fünf Prozent von der Entwicklung der Tariflöhne im öffentlichen Dienst und des Verbraucherpreisindexes geben.

Außerdem darf das Jahresbruttoeinkommen nicht um mehr als zehn Prozent von der Besoldung in anderen Ländern und im Bund abweichen. Ausnahmen lässt das Gericht nur zu, wenn ein Land schlechter bezahlt, um die Schuldenbremse einhalten zu können. Als Land allgemein zu erklären, arm zu sein, reicht dafür aber nicht aus. Die schlechtere Bezahlung müsse dann „Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushalskonsolidierung“ sein, so die Karlsruher Richter. Jetzt muss das Land den Klägern Gehalt nachzahlen und bis Anfang kommenden Jahres die Besoldungsordnung überarbeiten.

Finanzielle Auswirkungen für Landeshaushalt noch nicht absehbar

Die finanziellen Auswirkungen für den Landeshaushalt sind noch nicht absehbar, das Landes-Finanzministerium wurde offenbar vom Urteil überrascht. „Ich kann dazu noch nichts sagen“, erklärte Finanzstaatssekretär Michael Richter (CDU). Es sei auch keine Vorsorge getroffen worden, gravierende Auswirkungen erwarte er jedoch nicht: „Ein Nachtragshaushalt wird nicht nötig sein“. Er verwies darauf, dass seit 2012 eine neue Regelung für die Besoldung der etwa 840 Richter und Staatsanwälte im Land gelte. „Wir müssen jetzt prüfen, ob diese geltende Alimentation nach den Kriterien des Bundesverfassungsgerichtes rechtens ist“, so Richter.

Richter und Staatsanwälte werden in den Ländern unterschiedlich bezahlt. Laut Deutschem Richterbund gehören zwei Drittel zur Besoldungsgruppe R1, das sind unter anderen Richter an Land-, Amts- und Sozialgerichten sowie Staatsanwälte. Beispiele für R1-Bruttobeträge aus dem Jahr 2014:

Bayern: In diesem Bundesland verdiente ein lediger 27-Jähriger das höchste Anfangsgrundgehalt mit 4.070,02 Euro. In der Endstufe waren es für einen Verheirateten mit zwei Kindern 6.668,50 Euro - ebenfalls ein Spitzenwert im Ländervergleic

Saarland: Schlusslicht beim Anfangsgrundgehalt war das Saarland mit 3.235,12 Euro. In der Endstufe waren es 6.143,35 Euro.

Nordrhein-Westfalen: Ein lediger 27-Jähriger erhielt 3829,54 Euro als Anfangsgrundgehalt. In der Endstufe waren es 6268,01 Euro.

Berlin: In dem Stadtstaat stieg die Besoldung am geringsten an. Zwar bekam ein lediger 27-Jähriger zu Beginn 3.664,40 Euro. In der Endstufe waren es aber nur 5.882,30 Euro - im Vergleich der niedrigste Wert.

Sachsen-Anhalt: Bei 3.637,87 Euro lag das Anfangsgrundgehalt, in der Endstufe wurden 6.224,17 Euro erreicht.

Sachsen: In dem Bundesland verdiente ein lediger 27-Jähriger 3679,80 Euro. In der Endstufe waren es dann 6.326,99 Euro.

Rheinland-Pfalz: : Hier kam ein lediger 27-Jähriger auf 3.592,01 Euro. In der Endstufe waren es 6.232,13 Eur

Justizministerin Angela Kolb (SPD) sprach von einer „völlig neuen Sachlage“, zu deren Folgen sie noch nichts sagen könne. Auch sie erklärte, kein Geld im Haushalt zurückgelegt zu haben. Kolb beklagte gleichzeitig eine sich immer weiter spreizende Schere bei der Besoldung von Richtern und Staatsanwälten in den einzelnen Bundesländern. „Seit die Länder die Zuständigkeit im Jahr 2006 vom Bund übernommen haben, haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass die Richterbesoldung einer besonderen Bundesregelung bedarf“, so Kolb. Da dem nicht gefolgt wurde, entwickele sich die Besoldung in den einzelnen Ländern immer weiter auseinander, „so dass es inzwischen Probleme bei der Rekrutierung von Nachwuchs in einzelnen Ländern gibt“, sagte Kolb. Betroffen sei etwa Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt hingegen noch nicht. Auch Staatssekretär Richter erklärte, dass der Bund und die Südländer ihre Richter und Staatsanwälte sehr gut bezahlten, es in den Nordländern erhebliche Unterschiede gebe.

Eine Klatsche für die Landesregierung

„Das Urteil ist eine ziemliche Klatsche für die Landesregierung“, sagte der Vorsitzende des Landtag-Finanzausschusses, Swen Knöchel (Linke). Er erwartet nun einen Bericht des Finanzministeriums im Ausschuss zu dem Richterspruch und seinen Folgen. Dass Staatsdiener von Land zu Land teils deutlich unterschiedlich bezahlt werden, findet Knöchel prinzipiell falsch. „Wettbewerbsföderalismus im öffentlichen Dienst lehnen wir grundsätzlich ab.“

Die Richterbesoldung hat als Orientierungsgröße auch eine Rolle bei der Ermittlung der Diäten für die Landtagsabgeordneten gespielt. „Durch den Richterspruch ändert sich für uns in dieser Legislaturperiode erstmal nichts“, sagte Landtagspräsident Detlef Gürth (CDU). Jetzt müsse man abwarten, wie das Land die Besoldung neu regele. Bei einer „gravierenden Abweichung“ müsse man nach 2016 eventuell eine Anpassung der Diäten diskutieren. (mz)