Umwelt Umwelt: Nichts als große Pläne
HELBRA/MZ. - Im weißen Einmal-Schutzanzug steht Mansour Dlikan auf einem eingezäunten Betriebsgelände im Helbraer Gewerbegebiet. Die kleine Straße dorthin am Rande der 4 500-Seelen-Gemeinde im Mansfelder Land ist gesperrt. Draußen vor dem Hof ist eine Brachfläche von der Größe eines halben Fußballfeldes mit Flatterband gesichert. Hinter Zaun und Mauer, nur unweit mehrerer Berge von Schutt und einer alten Baracke, steht Dlikan vor einer rund anderthalb Meter großen Pfütze. Es blubbert - Zeichen der Neutralisierung von Salpetersäure mit Natronlauge. Dann zeigt der Chemiker auf den nahen Rasen: "Dort ist die Säure langgelaufen." Das Grasgrün hat sie in Dunkelbraun verwandelt.
Ein Problem weitet sich aus
Seit zwei Tagen ist Dlikan für eine zunächst von Behörden beauftragte Spezialfirma in Helbra im Einsatz, um säurebelastetes Erdreich zu entsorgen. Elf Container stehen bereit, ein Kettenbagger. Die Atemschutzmasken haben er und sein Kollege in Griffweite. Schichtweise soll Erde abgetragen und stets neu analysiert werden, bis sie "sauber" ist. Dlikan zuckt mit den Schultern bei der Frage, wie lange das dauern wird. Erst ging es "nur" um das Gemeindegelände vor der Mauer. Dann auch um den Hof, von dem die Säure offenbar über eine alte Kanalisation nach draußen gelangt war, durch Reaktionen mit dem Erdreich eine Rauchsäule gebildet und Großalarm bei der Feuerwehr ausgelöst hatte.
Der Rauch ist verschwunden, nicht aber jene Säure, die ihn entstehen ließ. Im Gegenteil: Auf dem Gelände der Neuen Mansfelder Bergwerkschaft GmbH & Co. KG wurden am Donnerstag 50 000 Liter ätzende Flüssigkeit in diversen Tanks entdeckt. In Helbra sind die Säure-Geschichte und ihre möglichen Verursacher längst Gesprächsthema. Das Wort Schweinerei nehmen hier einige in den Mund. Über Altlasten einer früheren Kupferhütte wurde spekuliert. Und darüber, ob es nicht doch die Hinterlassenschaften jener sind, die schon kurz nach der Wende kamen, um alte Halden zu durchkämmen und Edelmetalle daraus zu gewinnen. "Da waren einige hier", sagt ein früherer Gemeinderat.
Der erste war ein Chemiker aus Landau in der Pfalz, der der Gemeinnützigen Sanierungsgesellschaft Mansfelder Land (GSG) 2,7 Millionen Mark für das Versprechen abschwatzte, 4 000 Tonnen hochgiftiger Abfälle aus der Kupferproduktion in Hettstedt in einer Pilotanlage zu verwerten. Das Problem: Weder gab es damals ein Verfahren, noch existierte in Leuna die angebliche Pilotanlage. Die 153 Waggons mit dem radioaktiven Abfall machten als "Hettstedter Giftzug" jahrelang Schlagzeilen, bevor sie 1997 nach Protesten von Umweltschützern, Gerichtsverfahren und mit Millionenaufwand für den Steuerzahler im so genannten Teich 10 in Helbra versenkt wurden. Dort liegen sie, mit weiteren Abfällen der Kupferproduktion, versiegelt und bewacht bis jetzt. Denn auch der angebliche Versuch einer Firma aus Gladbeck (Nordrhein-Westfalen), die 85 000 Tonnen Schlamm im Teich 10 zu entsorgen, entpuppte sich als Reinfall. Er kostete das Land Sachsen-Anhalt 800 000 Euro. Der Chemiker aus Landau wurde zu 22 Monaten auf Bewährung und 12 000 Mark Geldstrafe verurteilt.
Jüngstes Projekt 2008 gestoppt
Mit Michael du Bois machte sich vor vier Jahren erneut ein Chemiker - dieses Mal aus dem nahen Halle stammend - ins Mansfelder Land auf, um Schlagzeilen, nicht aber das versprochene Gold und Silber und die anderen seltenen Metalle zu produzieren. Zwar ließ du Bois im Herbst 2006 werbewirksam zwei Waggons mit Haldenmaterial auf sein Firmengelände in Helbra karren. Doch dabei blieb es. Weder entstand die 3,5 Millionen Euro teure Pilotanlage, noch wurden 15 Leute eingestellt. Zwei Jahre nach Beginn des Experiments wurde das Projekt gestoppt. Übrig blieben aber nicht nur zwei Waggons mit taubem Gestein, sondern auch 50 000 Liter Säure. Bis Donnerstag war es du Bois' Geheimnis, dass das ätzende Gemisch offenbar seit Jahren auf seinem Firmengelände geparkt ist, ohne dass die Behörden davon Kenntnis hatten. Die sagen jetzt, der Verursacher müsse für die Entsorgungskosten aufkommen. In Helbra ist man dennoch gespannt, ob es am Ende nicht doch wieder der Steuerzahler ist.