Thüringen Thüringen: Keine Ruhe am Kraterrand in Schmalkalden
Schmalkalden/dpa. - Jedes Gläserklirren, jedes Klappern in derSchrankwand wird registriert. Die Anwohner am aufgefüllten Erdkraterin Schmalkalden lauschen auf jedes Geräusch aus dem Untergrund. AlsEnde vergangener Woche wieder Steine krachende wegrutschten war klar:Es wird noch Jahre so weitergehen. «Wie bei einer Sanduhr wird immerwieder Kies nachsacken», glaubt Schmalkaldens Bürgermeister ThomasKaminski. Kurz nach dem Auffüllen des mehr als 20 Meter tiefen Lochsin einem Wohngebiet noch häufiger, später seltener.
Niemand weiß, wie viele Hohlräume es im Erdreich rund um den vorzwei Wochen aufgebrochenen Krater noch gibt. Auch Landrat Ralf Luthersagt inzwischen salopp: «Vielleicht ist ja bei dem verschütteten Autodas Fenster aufgegangen und die Steine sind darin verschwunden.»
Die letzten Arbeiten am komplett mit Kies gefüllten Krater laufen,um die Unglücksstelle soll ein massiver Zaun errichtet werden. Eineprovisorische Abwasserleitung wird verlegt. Wer hier arbeitet, wirdvorsichtshalber angeseilt, auch der Bagger hängt an einer dickenKette. Die Straße wird für Jahre zur Sackgasse.
Wild spekuliert wird inzwischen, warum die Erde in Schmalkaldenüberhaupt eingebrochen ist. Geologen gehen von einer natürlichenUrsache aus. «Aber es gibt so viele Gerüchte, dass wir schon fastgenervt sind», sagt der Bürgermeister. Vermutungen reichen vonBunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg bis hin zu NS-Waffenfabriken.Spekuliert wird, das Anbohren von unterirdischen Quellen habe dieGeschwindigkeit des Grundwassers erhöht und Auswaschungen verursacht.
Fest steht laut Kaminski, dass in dem Wohngebiet vor mehr als 100Jahren Wein- oder Bierkeller angelegt wurden, in denen dieMenschen auch in Kriegszeiten Schutz suchten. «Waffenproduktion gabes hier aber definitiv nicht.» Solequellen, die in Schmalkaldennatürlich auftreten, könnten aber einen unterirdischen Salzstockaufgelöst haben. Endgültige Gewissheit werde es erst in zwei Monatengeben, wenn vier Bohrungen ausgewertet sind.
Die Frage nach dem Warum lässt weder Anwohner noch Landesregierungkalt. Für Erdfälle mit geologischer Ursache muss der Freistaat nichtzahlen. Auch Versicherungen stellen sich oft quer. Das Land Thüringenscheint aus bisherigen Kratern gelernt zu haben - vor allem ausTiefenort, wo die Erde in neun Jahren elfmal einbrach und ein hundertQuadratmeter große Krater entstand.
Diesen Erdfall habe das Land jahrelang auf die leichte Schultergenommen, lautet der Vorwurf des dortigen Hilfevereins. InSchmalkalden lief es dagegen fast reibungslos: Nach gerade einerWoche war eine Soforthilfe von 180 000 Euro beschlossen. Statt einesBetonpfropfens wurde der Krater mit Kies gefüllt, der bei neuenHohlräumen nachrutscht. Die Bohrungen, die in Tiefenort erst nachJahren anliefen, starteten problemlos. «Ich finde nichts, was wirnächstes Mal besser machen könnten», sagt Landrat Ralf Luther (CDU).
Auch die Finanzierung scheint geklärt: Die Rechnung geht an denLandkreis, der sie nach Schmalkalden weiterleitet. Luther geht davonaus, dass das Land der finanziell gebeutelten Stadt unter die Armegreift. Wahrscheinlich blieben die Kosten unter einer halben MillionEuro. Kaminski ist erleichtert: «Wir sind mit einem blauem Augedavongekommen.»