1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Tagebuch der Anne Frank: Tagebuch der Anne Frank: Sieben Männer wegen Buch-Verbrennung vor Gericht

Tagebuch der Anne Frank Tagebuch der Anne Frank: Sieben Männer wegen Buch-Verbrennung vor Gericht

Von Thomas Struk 22.02.2007, 07:54
Eine Besucherin der Ausstellung «Anne Frank - eine Geschichte für heute» informiert sich in Schönebeck bei Magdeburg über das Leben des jüdischen Mädchens. (Foto: dpa)
Eine Besucherin der Ausstellung «Anne Frank - eine Geschichte für heute» informiert sich in Schönebeck bei Magdeburg über das Leben des jüdischen Mädchens. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Magdeburg/dpa. - Das Schicksal des jüdischen Mädchens AnneFrank hat Menschen in aller Welt bewegt und betroffen gemacht, nichtso am Abend des 24. Juni 2006 in Pretzien: In der Gemeinde in derNähe von Magdeburg wurde ein Exemplar des weltweit 75 Millionen Malverkauften Tagebuchs der Anne Frank ins Feuer geworfen. Acht Monatedanach müssen sich von diesem Montag an die sieben mutmaßlichen Tätervor Gericht verantworten. Die Anklage wirft den 24- bis 29-JährigenVolksverhetzung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener vor.Bei einem Urteil wegen Volksverhetzung sind fünf Jahre Haft möglich.Wegen der Vielzahl der Angeklagten wird der Prozess des AmtsgerichtsSchönebeck im Landgericht Magdeburg geführt.

Die Tat ereignete sich damals im Rahmen einer so genanntenSonnenwendfeier, die von zahlreichen Menschen besucht worden war. DieAnklage geht davon aus, dass ein heute 25-Jähriger das Buch in dasFeuer geworfen hat, während die sechs anderen Männer daneben standen.Auch eine US-Fahne landete in den Flammen. Mit der Verbrennung desTagebuchs sei die Nazi-Gewaltherrschaft verherrlicht und dieJudenverfolgung geleugnet worden, argumentiert die Anklage.

Der Vorfall war erst einige Tage später bekannt geworden, hattedann aber ein riesiges, für Sachsen-Anhalt negatives Echo gebracht.Die Region südlich von Magdeburg galt plötzlich als Hochburg jungerRechtsextremer, denn nur wenige Wochen zuvor war in einem anderemkleinen Dorf gleich nebenan, in Pömmelte, ein farbiger Junge vonRechtsextremen brutal zusammengeschlagen worden.

Die Staatsanwaltschaft will den sieben Männern in dem zunächst aufacht Verhandlungstage angesetzten Verfahren nachweisen, dass sie dieTat gemeinsam vorbereitet haben. Doch Rechtsanwalt Thomas Jauch, derden Angeklagten vertritt, der das Buch in die Flammen geworfen hat,bestreitet dies. Es sei zu erwarten, dass zwei der Angeklagten einGeständnis ablegen und zugeben, das Tagebuch und die US-Fahne insFeuer geworfen haben.

Dies würden die Männer aber voraussichtlich als «Alleingänge»darstellen und damit die fünf anderen Männer entlasten, sagt Jauch,der den Vorwurf der Volksverhetzung nicht gelten lassen will. Dennaus Sicht des Weißenfelser Rechtsanwalts wäre dafür der Nachweisvonnöten, dass sein Mandant - wie von einem Zeugen angegeben - von«Lüge» gesprochen habe, als er das Tagebuch ins Feuer warf - und diesbestreitet der 25-Jährige. «Den objektiven Tatbestand, dass das Buchins Feuer geworfen wurde, kann aber niemand bestreiten», sagt Jauch.

Der Direktor des Anne Frank Zentrums in Berlin, Thomas Heppener,geht davon aus, «dass es kein Ereignis war, das aus einer Launeheraus oder zufällig unter Alkoholeinfluss, sondern aus einemrechtsextremen Weltbild heraus» entstanden ist. «Mir geht es aber umdas Tagebuch selbst, das zum Symbol für den Holocaust geworden istund nicht ungestraft angegriffen werden darf», sagt Heppener, derseit der Buchverbrennung mehrmals in der Region war und unter anderemdie Wanderausstellung des Anne-Frank-Zentrums in die KreisstadtSchönebeck gebracht hat.

Heppener unterstreicht, dass es nach der Buchverbrennung vieleInitiativen gegeben habe, die sich mit Rechtsextremismus in derRegion auseinander setzten. «Es hat aber kein gemeinsames Arbeitenaller zu einer demokratischen Zivilgesellschaft gehörenden Kräftegegeben», bemängelt er.

Nicht nur die Tat an sich, auch einige Begleitumstände sorgten fürAufsehen und beschäftigen die Verantwortlichen noch heute: So warendie Ermittlungen erst einige Tage nach der Tat in Gang gekommen, weildie anfangs mit dem Fall betrauten Polizisten das Tagebuch nichtkannten. Und - aus Sicht der Behörden zu allem Überfluss - wurde dannauch noch bekannt, dass mehrere Mitarbeiter des Verfassungsschutzesin Pretzien leben, ihnen aber die offensichtlich rechtsextremenUmtriebe in der Ortschaft nicht aufgefallen waren. Um dieseMissstände geht es in dem Prozess aber nicht.