Straßenverkehr Straßenverkehr: Das Gehirn der Autobahn 2
Halle/Magdeburg/VS. - Das Gehirn der Autobahn 2 sitzt in Halle-Peißen, in einem würfelförmigen Häuschen mit Klinkerfassade und automatischen Jalousien. "Landesbetrieb Bau Sachsen-Anhalt, Autobahnmeisterei Halle-Peißen" prangt auf dem Schild. Dort steht seit den 30er Jahren Deutschlands älteste Autobahnmeisterei. Seit dem Jahr 2000 ist dort auch der Zentralcomputer der Verkehrs-Management-Zentrale installiert. Er steuert die elektronischen Verkehrszeichen an der A 2 Hannover-Berlin in Sachsen-Anhalt und soll so den Verkehr flüssig halten.
Der Stau als solcher ist Christoph Krelle ein Gräuel. Krelle, gelernter Verkehrstechniker und Fachbereichsleiter im Landesbetrieb Bau, untersteht die Managementzentrale. In der Sprache des Technikers ist Stau eine Störung des Systems. "Wenn der Verkehr zum Stillstand kommt, erfüllt die Autobahn ihren Zweck nicht. Deshalb tun wir alles dafür, dass das nicht passiert."
Jede Menge Sensoren
Das heißt, das meiste erledigt der Computer. Sensoren, Induktionsschleifen und Messinstrumente erfassen Fahrzeugzahl und Tempo, unterscheiden nach Pkw und Lastwagen, ermitteln Luft- und Asphalttemperaturen, Regenmengen und Sichtverhältnisse. Aus der Datenflut errechnet der Computer die optimale Regel-Variante, ehe er auf den elektronischen Autobahn-Schildern die Zeichen aufleuchten lässt. Auf mehreren Bildschirmen in der Zentrale erscheinen zugleich alle Verkehrsdaten und jede der 43 sachsen-anhaltischen Schilderbrücken mit allen aktivierten Zeichen.
Krelles Lieblingsvariante ist simpel: Die Elektro-Tafeln bleiben schwarz, der Verkehr fließt gleichmäßig. Punkt. Doch oft wird es kompliziert. Ein Nachmittag an einem gewöhnlichen Werktag. Auf dem Bildschirm in der Management-Zentrale leuchtet das Autobahn-Symbol aus zwei parallel verlaufenden Linien. Rainer Kohnert, Amtsbezeichnung "Operator", erläutert: "Grün heißt, der Verkehr fließt gut." Bei dichtem Verkehr färbt sich die Linie gelb, Organe bedeutet zähfließend, Rot heißt Stau.
Im Moment ist alles grün, die meisten Anzeigen sind dunkel. Kohnert klickt auf ein Kästchen neben der Autobahnlinie; es trägt das Kürzel für die Anschlussstelle Lostau und enthält mehrere Zahlen. Kohnert: "Wir können hier ablesen, dass in Richtung Hannover in der letzten Stunde 1 440 Pkw und 600 Lkw gefahren sind. Das ist relativ wenig. Die Lkw hatten eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 97 Stundenkilometern, die Autos von 132." Wie, nur 132 Kilometer pro Stunde? Ohne Limit? Krelle: "Das ist der Durchschnitt. Raser mit Tempo 200 und mehr sind selten, vielleicht einer auf 1 000 Autos."
Kohnert bewegt seine Computermaus, bis auf dem Schirm das Kästchen "AKR Magdeburg" erscheint. Das Autobahnkreuz A 2 / A 14. "Hier ist mehr los." Er zeigt auf das Symbol für die Schilderbrücke am Kreuz Magdeburg. "Wegen des dichteren Verkehrs hat der Computer das Tempo auf 120 begrenzt und ein Überholverbot für schwere Lastwagen verhängt."
In dem Kästchen daneben ist zu lesen: Pkw 115 km / h; Lkw 88 km / h. Wirkt das Tempolimit immer so gut? Krelle: "Fast. Tatsächlich wird ein elektrisch angezeigtes Tempolimit viel besser befolgt als eines mit starren Schildern." Das niedrigere Tempo drückt die Unfallhäufigkeit. Die A 2 gilt als gefährlich. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres ereigneten sich auf dem sachsen-anhaltischen Abschnitt fast 650 Unfälle, elf Menschen starben. Zugleich gehört diese Autobahn zu den am stärksten belasteten Straßen Deutschlands.
Kapazität wächst
Ohne die Verkehrsbeeinflussung auf der A 2 würde es etwa ein Drittel mehr Unfälle geben, sagt Krelle. Das hätten Erfahrungen auf anderen Strecken in Deutschland gezeigt. Ähnlich wirkungsvoll sei das Autobahn-Management bei der Stauvermeidung. Der Verkehr werde harmonisiert, "er fließt gleichmäßiger", sagt Krelle. Und die Kapazität der Straße wird erhöht.
Anders als landläufig angenommen bedeutet ein höheres Durchschnittstempo nicht, dass mehr Fahrzeuge eine Straße passieren können. Krelle: "Mit höherer Geschwindigkeit vergrößern sich die Abstände zwischen den Fahrzeugen überproportional, die Aufnahmekapazität der Straße sinkt." Ihre höchste Aufnahmefähigkeit erreiche eine Straße bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 77 Kilometern pro Stunde. Sowohl bei geringerem, als auch bei höherem Tempo gehen die Fahrzeugzahlen zurück. Allerdings: "Wunder kann unsere Anlage nicht vollbringen", sagt Krelle. "Wenn der Mensch nicht funktioniert, nützen die tollsten Dinge nichts."