Stasi jagte nach dem Druckfehler-Teufel
Stendal/MZ. - Wir schreiben den 24. April 1985. Bevor die Manuskriptefür die Zeitungsausgabe des nächsten Tages indie Druckerei gehen, müssen die Texte nach möglichenFehlern durchsucht werden. Als Redaktionsleiterzeichnet Klein jede Seite einzeln ab - in derfesten Überzeugung, bei der Korrektur nichts übersehenzu haben. Die Annahme erweist sich als Trugschluss.
Am nächsten Morgen klingelt schon das Telefon,als er die Redaktionsstube betritt. Am anderenEnde der Leitung meldet sich die SED-Kreisleitung.Er habe sich sofort beim Parteichef zu melden,wird Klein angewiesen. Der barsche Ton verheißtnichts Gutes.
"Als ich dann vor dem SED-Kreissekretär stand,"erinnert sich Klein, "wurde mir nur die aktuelleLokalseite unter die Nase gehalten." In einerder Losungen zum 1. Mai heißt es: "Für aktiveSolidarität mit allen imperialistischen Kräften".
Was folgt, sind Vorwürfe, die zu DDR-Zeitenschlimme Folgen haben konnten: politische Unzuverlässigkeit,parteischädigendes Verhalten, mangelnde revolutionäreWachsamkeit. Keiner der Funktionäre will sichvorstellen, dass der Fehler versehentlich unterlief.
Klein sitzt in der Patsche: "Es ging nicht etwadarum, dass man mir die böse Absicht nachweist,"beschreibt er den Verlauf des Gesprächs, "sondernich sollte meine Unschuld beweisen." Ein Dingder Unmöglichkeit. Ihm bleibt nur der Ausweg,sich "reichlich Asche aufs Haupt zu streuen".
Neben der "Kreisparteikontrollkommission" beschäftigtsich auch die örtliche Stasi-Dienststelle mitdem "Fall Klein". So werden verschiedene Aufklärungsmaßnahmenzum Persönlichkeitsbild des unter Verdacht geratenenLokalredakteurs eingeleitet, die unter der Code-Bezeichnung"Aktion Fundament" geführt werden. Derlei Aufwandist nicht ungewöhnlich. Im Vorfeld von besonderenFeiertagen wachen die "Schutz- und Sicherheitsorgane"der DDR mit Argusaugen darüber, dass die verordnetenJubelfeiern nicht durch unliebsame Zwischenfällegestört werden, die das realsozialistische Heile-Welt-Bildad absurdum führen würden.
Norbert Klein hat Glück: Mit einer "Strengen Rüge"entgeht er dem Parteiausschluss, was dem Endeseiner journalistischen Tätigkeit gleich gekommenwäre. Auch juristische Konsequenzen bleiben ihm erspart.