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Stasi-Gedenkstätte Stasi-Gedenkstätte: Der Abrissbirne entronnen

Von ANDREAS HUMMEL 19.11.2010, 20:11
Der Vorsitzende des Vereins «Gedenkstätte Amthordurchgang» Frank Karbstein, steht vor einer nachgebildeten Zelle im Keller des ehemaligen Stasi-Gefängnisses Torhaus in Gera. (FOTO: DPA)
Der Vorsitzende des Vereins «Gedenkstätte Amthordurchgang» Frank Karbstein, steht vor einer nachgebildeten Zelle im Keller des ehemaligen Stasi-Gefängnisses Torhaus in Gera. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

GERA/DPA. - "Gestapo, NKWD und Stasi haben sich hier nahtlosdie Klinke in die Hand gegeben", sagt FrankKarbstein, Vorsitzender des Vereins "GedenkstätteAmthordurchgang". Der Verein betreibt seit2005 im Ex-Verwaltungsgebäude eine Gedenk-und Begegnungsstätte, die heute fünfjährigesBestehen feiert.

In der DDR war es eines von drei Stasi-Gefängnissenin Thüringen. Doch von dem Gebäude wäre heutefast kein Stein mehr erhalten. Ende der 1990erJahre sollte es abgerissen werden, um Platzfür einen Gerichtsneubau zu schaffen. AusProtest gegen die Pläne besetzte der Vereindie Haftanstalt für drei Tage und konnte sowenigstens das Torhaus retten. "Hier war einstdie Verwaltung untergebracht", sagt Karbstein.Der Zellentrakt fiel dagegen der Abrissbirnezum Opfer.

Der Bürgerrechtler hat die Schikanen derStasi-Leute am eigenen Leib erfahren. "Wirhatten Weihnachten 1983 in Gera und GreizFlugblätter gegen die SS-20-Raketen verteilt",erinnert er sich. "Alle mit einer Schreibmaschineabgetippt, mehr als 2000 Stück und dann indie Briefkästen gesteckt." Von einem Spitzelverraten, sei er dann im April 1984 verhaftetworden und saß drei Monate in dem Gefängnis.Später wurde er zu einem Jahr Haft verurteilt.

Wie ihm ging es mehr als 2800 politischenHäftlingen der DDR- Staatssicherheit in denJahren 1952 bis 1989. In Gera saß auch derDissident Roland Jahn ein, der neuer Chefder Stasi-Unterlagenbehörde werden soll. UndMatthias Domaschk. Er hatte sich an Protestengegen die Ausbürgerung des Liedermachers WolfBiermann beteiligt und in der Jungen Gemeindeengagiert. Am 11. April 1981 wurde er mitder Begründung, Störungen zum X. Parteitagder SED geplant zu haben, festgenommen. Nachlangen Verhören kam er am Tag darauf unterungeklärten Umständen ums Leben. Karbstein:"Domaschk ist der einzige dokumentierte Todesfalldieser Zeit."

Die Geschichte dieses Hauses reicht bis ins19. Jahrhundert zurück. Das Haus diente zunächstals Untersuchungsgefängnis. Ab 1933 sperrtedie Gestapo dort politische Häftlinge ein.Einige wurden ermordet oder starben an denFolgen der Haft. Nach dem Krieg bezog diesowjetische Militärpolizei Quartier in demGebäude. Etliche Häftlinge kamen von Geradirekt ins Speziallager nach Buchenwald. Geständnissewurden häufig mit Drohungen und Folter erpresst.

Ziel der Gedenkstätte ist es, die Schicksaleder politisch Verfolgten aus zwei Diktaturenzu dokumentieren und über die Repressionenaufzuklären. Dazu werden Zeitzeugengesprächegeführt und archiviert. Etliche Originalstückekonnten aus dem Stasi-Gefängnis gerettet werdenund sind in der Ausstellung zu sehen: Handschellenund Schlagstöcke, Geruchsproben im Einweckglas,Wanzen sowie nachgebaute Zellen samt Holzpritscheund Toilettentopf. Die Gedenkstätte locktim Jahr bis zu 5000 Besucher an.