Staatssekretär Staatssekretär: Ein unorthodoxer Staatsdiener
Magdeburg/MZ. - "Zwei Meter ohne Schuhe" und morgens immer guter Laune. Ulrich Koehler, Staatssekretär im Magdeburger Finanzministerium und FDP-Chef im Kreisverband Magdeburg, zitiert gern seine Größe und verweist auf sein sonniges Gemüt. "Verstecken kann sich so einer wie ich nicht." Er will "was machen für die Gesellschaft", einen Imagewechsel für Sachsen-Anhalt herbei arbeiten. Und dabei tritt er manchem auf die Füße.
Koehler, der im Dezember 50 wird, gilt als einer der maßgeblichen Strippenzieher in der Landes-FDP und als hemdsärmelig auch im Job. In den vergangenen Wochen haben ihm seine unkonventionelle Art und seine Vorliebe, auch abends bei einem guten Glas Wein zu verhandeln, viel Ärger eingebracht.
Der umtriebige Jurist ist verantwortlich für den Aufbau der Landesliegenschafts-Gesellschaft Limsa, deren Gründungsphase derzeit im Landtag von einem Untersuchungsausschuss durchleuchtet wird. Er hat für einen Vergleich im Streit um ein Anwalts-Honorar, der in einer Gaststätte auf einer Speisekarte abgefasst wurde, heftige Kritik der Opposition eingesteckt. Und er ist jüngst ins Gerede gekommen, weil er lange vor Beginn des offiziellen Ausschreibungsverfahrens Gespräche mit Interessenten führte, die die landeseigenen Spielbanken übernehmen und vielleicht ein "Klein Las Vegas" an der Autobahn A 2 errichten wollen. "Jeder kriegt bei mir einen Termin, und zwar schnell", sagt Koehler.
Mitarbeiter rühmen sein "offenes Ohr für alle". Freunde aus der FDP loben Koehlers sympathische, mitreißende Art ("Wir brauchen Leute, die begeistern. Und das macht er"). Sie sagen aber auch, er sei "nicht der sorgfältige Abarbeiter". Die Opposition formuliert das schärfer. PDS-Fraktionschef Wulf Gallert nennt es Koehlers zentrales Problem, "dass er sich selbst als unorthodoxen Beamten sieht, der in der Lage ist, Sachen schnell voranzutreiben". Bisweilen sei das Vorangetriebene dann aber "stark reparaturbedürftig" und die Art der Verhandlung verletzte "zuweilen die Grundregeln, die gemacht sind, um den Missbrauch von öffentlichen Geldern auszuschließen". Auch SPD-Finanzexperte Thomas Felke sagt, vieles wirke unausgegoren und übereilt. Warnungen von Fachbeamten würden übergangen. "Es macht sich der fatale Eindruck fehlender Seriosität breit". Finanzminister Karl-Heinz Paqué (FDP) dagegen stellte sich nach den Vorwürfen, dass Koehler zu früh mit Spielbanken-Investoren verhandelt habe, hinter seinen Staatssekretär und warnte vor einem investorenfeindlichen Klima.
Der Minister und sein Staatssekretär sind seit Jahren eng verbunden. Koehler managte den Wahlkampf von Paqué, als der Wirtschafts-Professor 2001 in Magdeburg als Oberbürgermeister-Kandidat antrat und für einen FDP-Kandidaten phänomenale 16,8 Prozent der Stimmen holte. Und er klebte 2002 im Landtagswahlkampf nach eigener Rechnung 1 348 Plakate für seinen Freund.
Ulrich Koehler, einst Bundes-Vize der Jungen Liberalen und später FDP-Landesgeschäftsführer in Niedersachsen, ist seit Anfang der 90er Jahre im Land. Sachsen-Anhalts erster Umweltminister Wolfgang Rauls (FDP) hatte ihn als Abteilungsleiter ins Ministerium geholt. Mit Frau und drei Kindern lebt er in Glindenberg bei Magdeburg. Die von den Koehlers mitbegründete Wählergemeinschaft "Bürger für Glindenberg" hat die absolute Mehrheit im Gemeinderat; seine Frau Gisela ist die Bürgermeisterin. Er ist in 15 Vereinen im Vorstand, darunter bei der deutsch-tschechischen und der deutsch-chinesischen Gesellschaft. Bei der Kreis-FDP ist er Vorsitzender, Paqué ist Vize. Die FDP-Kreis- und Landesparteitage bereitet Koehler über Monate vor, versucht bei unzähligen Gesprächen Mehrheiten zu organisieren. Sein aktuelles Ziel ist ein schlecht gehütetes Geheimnis: Paqué soll FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper an der Parteispitze ablösen. Koehler weiß, "dass andere mich Strippenzieher oder Kungler nennen". Quer zu seinem Selbstbild liegt das nicht.
Er sei, sagt er, nicht unwichtig für die Liberalen. Aber er sei kein Politiker. Er sei "oberster Arbeiter" im Finanzministerium, "einer der best bezahltesten Dienstleister". "Ich gehe," so der Staatssekretär, "abends nicht nach Hause, bevor der Schreibtisch leer ist."