Sommervergnügen Sommervergnügen: Ab ins Freibad

Halle (Saale) - Erinnert sich noch wer? Wenn früher die großen Ferien begannen, die damals noch acht Wochen lang waren, flogen mit dem Schulranzen auch die Schuhe in die Ecke. Barfuß ging es jeden Tag - wohin? Ins Freibad natürlich, weil in den Urlaub zu starten noch keine Massenerscheinung war. Das Wetter? Völlig egal, denn Sommerzeit war Freibadzeit.
Als Hoch-Zeit der Freibäder wird die Mitte des vorigen Jahrhunderts ihren Platz in der Geschichte der Badekultur finden, denn genau das war sie. Nie wieder davor und danach wurden so viele neue Freibäder gebaut. Glaubt man jedenfalls. Eine Statistik gibt es nämlich nicht. Nicht mal wie viele dieser Bäder hierzulande noch existieren, weiß irgendwer. Wir sammeln nur Daten, wofür es ein Gesetz gibt, heißt es beim Statistischen Landesamt. Die freundliche Kollegin empfiehlt das Landesverwaltungsamt . . .
Wir begnügen uns mit Schätzungen: Mal ist von 3 000 Freibädern die Rede, mal von 7 000, mal von mehr als 10 000. Nur eines ist klar: Wer heute noch baut, baut kein Freibad, sondern ein Spaßbad oder eine Therme mit Außenbecken, beheizt natürlich. Die Freibäder, verstieg sich neulich der MDR, seien die Dinosaurier der Freizeitkultur.
Tonwannen und Thermen in Rom
Angefangen hat alles jedoch schon viel früher, denn das Bad kannten schon die ältesten Kulturen der Menschheit. Nicht als Freibad zum Schwimmen und Toben, aber für die Körperpflege und Regeneration durchaus. Badewannen aus Ton wurden schon im alten Zweistromland benutzt. 4 500 Jahre vor Christus! Dass im antiken Griechenland das Baden Bestandteil der Lebenskultur war, ist heute auch keine Neuigkeit mehr. Und weil man die Kommunikation im Bade seinerzeit nicht im Freien pflegte, gab es sogar schon Fußbodenheizungen. Ganz zu schweigen von den Fähigkeiten der Römer, schließlich genießen deren Thermen bis heute einen guten Ruf - als Sehenswürdigkeiten. lmmerhin elf davon gab es in Rom um 400 - und sie waren auch damals schon öffentlich. Allein, wer nun glaubt, die Entwicklung führte von dort linear zum Freibad, der irrt.
Einen Überblick über die vielen Seen und Freibäder in der Region bietet das Karten-Werkzeug von MZ-Web.
Dazwischen lag das Mittelalter und das war nicht nur prüde, sondern muss auch ziemlich schmutzig gewesen sein. Wasser am Körper? Und auch noch öffentlich? Undenkbar! Die Badekultur verschwand in der Versenkung und wenn überhaupt jemand nass wurde, dann im Regen oder weil er ins Wasser gefallen war. Eine kurze Rückbesinnung im Spätmittelalter blieb ein Strohfeuer. Pest und Syphilis setzten der Badekultur im 14./15. Jahrhundert endgültig ein Ende.
Da möchte man sich doch lieber noch einmal an das gute alte Freibad von vor rund 50 Jahren erinnern. Sie wissen schon: mit den unvermeidlichen Löchern in den Bretterwänden der Holzumkleiden, mit Chlorgeruch und grünlichem, nicht ganz klarem Wasser. Für die Belustigung genügten der Holzbalken, der im Becken Nichtschwimmer- und Schwimmerbereich trennte, oder der Bademeister, der zappelnden Kindern an der Angel das Schwimmen lehren wollte. Zur Belustigung der Zuschauer natürlich, nicht etwa desjenigen, der da um sein Leben paddelte.
Auf Seite 2 erfahren Sie, was nach dem Mittelalter geschah und wo es heute am schönsten ist.
Städter fahren zur Sommerfrische
Wie aber kam es zu diesem Freibäder-Boom nach der Pleite für die Wasser-Enthusiasten im Mittelalter? Zu verdanken war das eigentlich dem Adel. Der reiste schon in der Antike sommers auf seine Landsitze. Damals natürlich nicht zum Baden, sondern in erster Liene, um die landwirtschaftlichen Betriebe zu betreuen. Doch mit der Industrialisierung gefiel es auch dem gehobenen Bürgertum, im Sommer einen Ortswechsel anzustreben. Das Wort Sommerfrische, das dafür erfunden wurde und den Erholungsaufenthalt der Städter auf dem Lande beschreibt, findet sich immerhin schon im Grimmschen Wörterbuch von 1852. Auf Ende des 18. Jahrhunderts datieren dann die englischen Seebäder ihr Entstehen und so kam die Sache langsam in Schwung.
Das Felsenbad in Landsberg ist natürlich allen Einwohnern der umliegenden Orte bestens bekannt. Aber auch, wer weiter weg wohnt, sollte einmal hier ins Wasser springen. Die Anlage am Fuße des Kapellenberges bietet nämlich zum einen ein angenehm kühles Klima, zum anderen ist der Blick auf die Felsenwand neben den Becken spektakulär.
Die Attraktion im Eisleber Freibad ist eine Wasserrutsche, die stolze sechs Meter breit und 15 Meter lang ist. Wie viele Leute da wohl drauf passen? Auf jeden Fall hat man auf dieser Rutsch eine Menge Platz, um verschiedene Rutschpositionen auszuprobieren. Außerdem gibt es einen Beachvolleyballplatz und eine Tischtennisplatte. Auf die kleinsten Badegäste wartet ein Erlebnisplanschbecken.
Der Schladitzer See bei Rackwitz gehört zum Leipziger Neuseenland. Dort gibt es einen bewachten Strand, an dem auch Kinder sicher baden können. Außerdem befindet sich ein Wassersportzentrum in der Nähe. Das Besondere: In unmittelbarer Umgebung befinden sich der Zwochauer See und der Werbeliner See. Einer kleinen Fahrradtour zum dreifachen Wasserspaß steht also nichts im Wege.
Das Freibad am Pappelgrund in Teutschenthal bietet gleichzeitig Sandstrand und Liegewiesen. Im Wasser liegt ein flacher Bereich, das Freibad ist also auch für Nichtschwimmer geeignet. Die Parkplätze in der Nähe des Bades sind kostenfrei. Wer eine besondere Geburtstagsfeier, einen Junggesellenabschied oder Ähnliches plant, kann das Freibad-Areal auch mieten. Man muss schließlich nicht an die Ostsee fahren, um am Strand zu feiern. Neben Catering lassen sich auch besondere Attraktionen wie Ponyreiten oder eine Magiershow zubuchen.
Das Strandbad Gerlebogk eignet sich für einen kleinen Badeurlaub, denn nebenan liegt ein Campingplatz, der ganzjährig geöffnet ist. Wer möchte, kann sich ein Ruder- oder Tretboot leihen. Auch Naturliebhaber kommen hier auf ihre Kosten, denn zum Naherholungsgebiet am Gerlebogker See gehört auch ein Naturschutzgebiet. Es ist 55 Hektar groß und eine bedeutende Vogelbrut- und raststätte. So viele Vogelarten wie hier sind sonst wohl nirgendwo anzutreffen.
Zum diesem Bad muss man schon eine Weile fahren, aber es lohnt sich: Das Naturbad Mosigkau liegt recht abgeschieden im gleichnamigen Ort zwischen Dessau und Köthen. Es ist ein Badesee mit Beachvolleyballplatz, Kinderspielplatz und einem Kiosk. Wer möchte, kann sich auch Boote ausleihen und damit den See erkunden. Ein Bademeister ist vor Ort.
Das Junihochwasser 2013 hat auch im Akener Bad am Akazienteich seine Spuren hinterlassen. Diese konnten aber beseitigt werden und so stehen der Akazienteich nebst Campingplatz und Bootsverleih wieder für Badegäste zur Verfügung. Hier sind auch des Menschen beste Freunde willkommen, denn es gibt einen extra Hundestrand. Wer den Tag mit einem deftigen Abendbrot ausklingen lassen will, findet eine Grillstelle direkt am See.
Eine besonders idyllische Anlage am Harz: Seit 1990 gibt es am Bremer Teich in Gernrode einen internationalen Campingplatz. Der Teich selber bekommt laut Badbetreiber die Note "Sehr gut" in Sachen Wasserqualität und ist fast vier Hektar groß. Er verfügt über einen großen Nichtschwimmerbereich und einen Spielplatz gibt es auch. In der Badesaison überwacht ein Rettungsschwimmer das Geschehen.
In der Dübener Heide lockt der Königsee Badefreunde an. Und nicht nur die. Auch Angler kommen hier auf ihre Kosten. Denn nicht nur der Königsee, sondern auch Froschsee und Birkensee ganz in der Nähe werden für ihren Fischreichtum gerühmt. Alle drei sind Waldseen, bieten also Ruhe und Entspannung.
Wahrscheinlich hätte jedes Dorf gern ein eigenes Freibad. Doch Anlagen in kleinen Orten werden immer seltener. Hier ist die rühmliche Ausnahme: Großörner ist ein Stadtteil von Mansfeld und hat kaum 2.000 Einwohner, aber ein eigenes, kleines Freibad - das Mühlenbad. Das traditionsreiche Bad bietet eine große Wasserrutsche.
Das Gelände des Freyburger Schwimmbads kann bis zum 1.000 Gäste aufnehmen. Und die bekommen richtig was zu sehen: Vom Wasser aus hat man einen herrlichen Blick auf die Weinberge an der Unstrut. Das Bad bietet ein Schwimmer- und ein Nichtschwimmerbecken sowie einen separaten Babypool.
Der Mondsee bei Hohenmölsen bietet ganze 800 Meter Sandstrand. Für besonderen Jubel sorgt aber sicherlich die Riesenrutsche, die sich mit ihren 84 Metern Länge sehen lassen kann. Für die Kleinen gibt es außerdem einen Piratenschiff-Spielplatz. Wer möchte kann an einer rund vier Kilometer langen Wanderung rund um den See teilnehmen. Hier geht es zur Karte.
Von Lübeck weiß der kundige Badefreund jedenfalls, dass hier bereits 1795 ein Freibad entstand, das immerhin bis heute noch über einen Nachfolger verfügt. Der Siegeszug der Freibäder begann jedoch damit, dass die Gesellschaft freizügiger wurde und sich die Arbeitswelt so änderte, dass es nun Freizeit gab. Mit dem Mehr an Freizeit musste man schließlich etwas anfangen. Ab ins Bad war die logische Schlussfolgerung mangels Alternativen, denn von so viel Zerstreuung wie sie heute möglich ist, hat man früher nicht mal geträumt.
Manches, was die Freibäder in ihrer Blütezeit ausmachte, ist längst vergessen. Kennt noch jemand Eckhasche? Und nachts über den Zaun kletternde und nackt badende Jugendliche gibt es wohl auch nicht mehr. Wie sich überhaupt das Besucherklientel verändert hat, zumindest auf dem Lande. Aus den einst Heerscharen von Kindern wurde eine Generation flotter Alter, die sich schon morgens dem Schwimmvergnügen hingeben und den Bademeister mit Neuigkeiten versorgen.
Der Bademeister ist kein Bademeister mehr
Sie nennen ihn noch so, obwohl er jetzt korrekt Schwimmmeister heißt. „Es ist jedenfalls weit mehr als am Beckenrand zu stehen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen“, sagt der im Frei- und Schwimmbad in Wittenberg-Piesteritz tätige Steffen Neuhaus grinsend - und mit dem Wissen, welch Klischees über seinen Berufsstand kursieren. Neben der Beckenaufsicht müssen Wasserwerte kontrolliert werden, dazu kommen häufig Reinigungs- oder Reparaturarbeiten, Schwimmkurse und Wehwehchen der Gäste, von der Schürfwunde bis zum Insektenstich. Der Schwimmmeister von heute muss fit sein - nicht nur im Becken und in Sachen Retten und Erstversorgung, sondern auch als Animateur und bei technischen Fragen. „Es ist ein sehr verantwortungsvoller Beruf“, sagt Neuhaus, der in Piesteritz für die Auszubildenden zuständig ist. Die Einsatzmöglichkeiten reichen vom Kur- bis zum Spaßbad.
Überhaupt, die Bäder von heute. Ohne Rutsche, Strömungskanal, Wasserpilz und so etwas geht gar nichts. Gleich einen ganzen Wasser Fun Park von 1 400 Quadratmetern Größe gibt es mitten im Schladitzer See bei Leipzig. Etwas in dieser Art muss bieten, wer heute um Gäste wirbt. Muss er wirklich?
Keine Sorge, es gibt sie noch, die alten Freibäder mit ihrem ganz speziellen Charme. Sie stehen dann meist unter Denkmalsschutz und ein Freizeitverein bemüht sich mit aller Kraft ehrenamtlich um ihren Erhalt. Und sie sind ein Geheimtipp, dem jeder folgen sollte. (Mitarbeit: Antonie Städter)
