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Solarzellen-Industrie Solarzellen-Industrie: Thalheim ist auf dem Weg auf die Sonnenseite

Von Frank Zimnol 18.04.2005, 19:58

Thalheim/MZ. - Noch größere Erfolge als im Sport kann der 61-Jährige in seinem zweiten Ehrenamt, dem des Bürgermeisters, vorweisen. Thalheim, zur Wende ein unscheinbares 1 000-Seelen-Dorf vor den Toren von Wolfen, hat sein Schattendasein beendet. Der Ort befindet sich dank cleverer Ansiedlungspolitik inzwischen auf der Sonnenseite.

Thalheim ist Stammsitz des nach eigenen Angaben größten europäischen Herstellers von Solar-Zellen. Bei der Q-Cells AG fertigen mittlerweile rund 600 Menschen jene bläulich schimmernden Scheiben, mit denen sich Sonnenenergie in elektrischen Strom umwandeln lässt. Anton Milner, englisches Vorstandsmitglied von Q-Cells, beschreibt, warum er mit seiner Geschäftsidee ausgerechnet nach Thalheim kam. "Die Gemeinde bot uns so viele Vorteile. Da konnten wir nicht widerstehen."

Kressin, der einst in der Filmfabrik Wolfen als Elektriker-Lehrling begonnen hatte und es nach dem Studium dort bis zum Forscher brachte, köderte Milner mit einem einmalig günstigen Gewerbesteuer-Hebesatz. Nicht einmal halb so hoch wie in Wolfen. Und mit dem Beispiel Guardian. Der Flachglas-Hersteller hatte in Thalheim seinerzeit nur fünf Monate warten müssen, bis alle Genehmigungen komplett waren. Das klang Milner, der zuvor in Berlin an der Bürokratie schier verzweifelt war, wie Musik in den Ohren. "Ich kann meinen Gemeinderat mit dem Fahrrad zusammenholen", hatte ihm der CDU-Politiker Kressin noch deutlich gemacht, dass Thalheim für eine "Politik der kurzen Wege" stehe.

Die Erfolgsstory Q-Cells zog inzwischen weitere Firmen aus der Zukunftsbranche Solar-Technik magisch an. Australier sind bereits dabei, ein Werk aufzubauen, Amerikaner einigten sich mit Q-Cells auf ein Gemeinschaftsunternehmen in Thalheim. "Bis zum Jahr 2008 werden am Ort rund 2 000 Menschen Solar-Zellen produzieren", ist der Bürgermeister überzeugt.

Der Microtech-Park - so der Arbeitstitel für jenes Gewerbegebiet, in dem die Sonnenstrom-Spezialisten konzentriert werden sollen - ist bereits zu 80 Prozent ausgebucht. Weil drei weitere Ansiedler auf der Matte stehen, hat der Gemeinderat entschieden, die Gesamtfläche von bislang 50 Hektar um weitere 30 Hektar zu erweitern. In diesem Park, der bis an die A 9 heranreichen wird - das sind von Thalheim immerhin drei Kilometer - brechen also fürwahr sonnige Zeiten an.

Branchenkenner sprechen in Anlehnung an Silicon Valley, das weltberühmte Innovationszentrum der US-Elektronikbranche, bereits euphorisch vom "Solar-Silicon-Valley" in Thalheim. Die meisten Bürger sind begeistert, was der Bürgermeister "mit Unterstützung meiner Mannschaft", wie Kressin stets betont, für die Gemeinde erreicht hat. Egal welches Parteibuch die Mitglieder des Gemeinderats in der Tasche haben, wenn es darum geht, Investoren den Boden zu bereiten, ziehen sie an einem Strang.

Das aufstrebende Thalheim hat im nahen Wolfen freilich für Irritationen gesorgt. Die Aktionsgemeinschaft "Pro Wolfen" will das Dorf eingemeinden. Kressin hat nichts dagegen - aber nur, wenn Thalheim Teil einer Großkommune mit Bitterfeld würde.

Soweit ist es noch nicht - und Thalheim blüht auch alleine auf. Gastwirt Jörg Glückselig aus dem benachbarten Rödgen gehört zu den kleinen Unternehmern, die auf ihre Weise davon profitieren möchten, wenn in Thalheim "die Post abgeht". Er hofft, dass es mit dem Kauf eines heruntergekommenen Betriebsgebäudes klappt. Mit Blick auf die vielen Solarzellen-Hersteller will er das Gebäude sanieren und "eine niveauvolle Imbiss-Versorgung" aufziehen. Ein Ort wächst mit seinen großen Investitionen.