Sicherheit Sicherheit: Die dritte Halbzeit
Halle (Saale)/MZ. - Die Rufe auf dem halleschen Hauptbahnhof klingen martialisch. "Wir haben euch was mitgebracht: Hass, Hass, Hass!" tönt es lautstark. Ein paar Meter weiter stehen Beamte der Bundespolizei Bad Düben (Sachsen) und murmeln: "So etwas hören wir jedes Wochenende." Nun, diesmal ist es ein Mittwoch und die hasserfüllten Fans sind selbst Polizisten. Für ihr Training von Fußballeinsätzen hätten die Bundespolizei und die Landesbereitschaftspolizei Leipzig keine besseren Darsteller finden können: Kaum einer weiß so gut wie sie, was abgeht, wenn rivalisierende Fanlager aufeinandertreffen, Stress mit der Polizei gesucht wird.
Neben der ständigen Ausbildung trainieren die Beamten einmal im Jahr unter möglichst realen Bedingungen vor Ort, sagt Sprecher Norbert Kessler - auch das Zusammenspiel von Bundes- und Landespolizei. Dass es diesmal ein stillgelegtes Gleis in Halle ist, hat nichts zu sagen. Der Zeitpunkt schon. Die Polizeigewerkschaft hat gewarnt: Die Zweite Liga droht mit ihren Traditionsklubs und gewaltbereiten Fans zur Chaosliga zu werden. Dynamo Dresden, Hansa Rostock, Braunschweig, der selbst ernannte "Randalemeister" Eintracht Frankfurt: Die Konzentration von Teams mit auffälligen Fans ist hoch. Seit zwei Jahren habe er den Eindruck, dass es ruhiger geworden ist, sagt Einsatzzugführer Falko Potratz. "Das kann sich aber schlagartig ändern." Gut erinnert er sich an eine Situation beim Fußball in Erfurt: Gesperrte Straßen, auf jeder Seite ein Fanlager. "Auf einmal stehst du mitten drin im Steinehagel."
Also stellen sie nach, was ihnen mit Zweit-, aber auch mit Dritt- oder Viertligisten in der "dritten Halbzeit" bevorstehen kann. Szenario eins: 55 auffällige Fans, die sich am Zug gegen die Abgabe von Glasflaschen wehren. Seit bei Risikospielen deren Verbot im Zug durchgesetzt wird, ein Wurfgeschoss entfällt, sank die Zahl verletzter Beamter, sagt Kessler. Kritisch wird es in Szene zwei im Waggon. Potratz kennt das: Rappelvoll, kaum ein Durchkommen, fast immer ist viel Alkohol im Spiel. Allein kann aus Gründen der eigenen Sicherheit kein Beamter durch die Gänge. Die "Fans" springen nun im Takt, bis der ganze Waggon vibriert, provozieren. Es gilt die Rädelsführer auszumachen, zu separieren. Kein einfacher Job, wenn es sich wie jetzt um einen 1,96 Meter großen und 120 Kilo schweren Hünen handelt, der sich heftig wehrt. Am Ende wird doch Pfefferspray - diesmal Wasser - eingesetzt.
Die Zahl der Kategorie-C-Fans, die regelrecht Gewalt suchen, ist oft noch einstellig, sagt Potratz. Das Problem ist, dass sich andere schnell solidarisieren, wenn es rappelt. Ihre ärgsten Pappenheimer aber kennen die Beamten oft. Jogginghosen (zum schnellen Wegrennen) und Sonnenbrillen im Regen: Da regt sich Verdacht.
Am Rande des Trainings kommt auch ein derzeit heiß diskutiertes Thema zur Sprache: Namensschilder für Polizisten, damit sie bei Überreaktionen identifizierbar sind. Die Beamten sind dagegen, aus Gründen der eigenen Sicherheit. Nummern und Punkte auf den Bundespolizei-Helmen ließen heute einen Rückschluss auf je zehn Mann starke Einsatzgruppen zu.
Zum Ende gibt es diesmal ein drittes Szenario: Auf der Rückfahrt treffen Fans in Halle auf umsteigende Anhänger eines anderen Teams. Es knallt sofort, 40 Mann prügeln sich. Eine Rauchbombe senkt die Sichtweite zum Teil auf Null, als die Beamten dazwischengehen. So schnell wie heute sind solche Szenen oft nicht aufgelöst.
Trainer werden nun die Videos von Halle auswerten, sehen, ob jeder Griff, die Taktik richtig war. Der nächste reale Einsatz steht bevor. Samstag wird Potratz wohl in Halle beim DFB-Pokalspiel des HFC gegen Frankfurt sein. Mehrere Hundertschaften, auch aus Nachbarländern, sollen es absichern.