Schlossrestaurant Dieskau Schlossrestaurant Dieskau: Mal adelig fühlen

Dieskau - Aus seinem Gemach trat Herr von Bülow am späten Morgen. Rasiert und duftend. Ging die Treppe seines Schlösschens hinunter, öffnete die breite, in der oberen Hälfte aus geschliffenem Glas bestehende Holztür und betrat sein Esszimmer. Er nahm Platz an einem schön gedeckten Tisch, edles Leinen darauf, klapperte mit Silberkännchen und feinem Porzellan. Ach nein, eine Bedienstete klapperte. Dann wurde die zweiflügelige Tür zum Garten geöffnet und damit der Blick auf ein blumengeschmücktes Rondell und den Schlosspark. Vögel sangen, Bienen summten, Blumen dufteten vor sich hin. Ach, so seufzte bestimmt der Herr von Bülow, das Leben ist schön!
Herrlicher Blick ins Grüne
So stellen wir uns das Dasein in einem Schloss zumindest vor. Sitzt man heute in jenem ehemaligen Esszimmer, dem so genannten Gartensaal, kann man sich schnell hineinträumen in die längst vergangene Zeit. Das mag auch daran liegen, dass der Raum so restauriert worden ist, wie er einst im Jahr 1880 zu seiner Zeit als Esszimmer aussah: ziegelrote Wände – wobei „ziegelrot“ jetzt keine fachmännische Bezeichnung sein soll –, blassgrün gestrichene Türen. Das Mobiliar ist jener Zeit angepasst, kleine Vasen mit frischen Blumen stehen auf den Tischen. Ja, und wenn die Gartentür geöffnet ist, geht der Blick hinaus ins Grüne und Bunte. Herrlich ist das und allemal einen Besuch des kleinen Schlossrestaurants wert.
Vor dem Essen kann man einen Spaziergang machen im Park, der nach dem Vorbild der Wörlitzer Anlagen im englischen Stil angelegt wurde. 67 Hektar ist er groß, da kann man sich hungrig laufen. Oder auf einer der 28 Bänke lümmeln, wenn man erst nach dem Essen wandeln will und nicht mehr weit kommt.
Gutbürgerlich bis mediterran
Bis 1945 gehörte das Schlösschen besagtem Hans von Bülow, danach der DDR. Seit 1997 ist nun Thymo von Rauchhaupt der Besitzer. Nachkomme eines alten Adelsgeschlechtes, Kunsthistoriker, Enthusiast und Jäger. Er schießt in Thüringen hin und wieder ein Tier, und dann richtet sich die Restaurantküche spontan danach. „Im Winter gab es viel Muffelwild“, erzählt Thymo von Rauchhaupt. Ansonsten ist die Karte gutbürgerlich geprägt, erweitert um ein paar mediterrane Gerichte.
Doch zunächst zu den Getränken. Die Weinkarte ist nicht umfangreich, enthält aber einige gute Sorten. Zum Beispiel den Weißen Burgunder vom Weingut Herzer aus Naumburg, ein angenehm trockener und frischer Tropfen (4,50 Euro). Das Herrengedeck bildete eine Gose vom Rittergutsschloss Döllnitz (2,80 Euro). Diese traditionelle Leipziger Bierspezialität wurde 2013 mit dem „World Beer Award“ ausgezeichnet. Weltbeste Gose also aus unseren Breiten!
Welche Speisen die Gäste erwarten und was für ein zusätzlich Erlebnis gebucht werden kann, lesen Sie auf Seite 2.
Als Vorspeise wählten wir ein „Gebackenes Pfännchen mit Tomaten, Pilzen, Oliven, Käse und Basilikumöl“ (4,90 Euro). Dazu gab es ein kleines knuspriges Vollkornbrötchen. Insgesamt eine leichte, sommerliche Sache.
Die Süßkartoffelsuppe mit Lauch und Croûtons, ebenfalls mit Brötchen-Gimmick, schmeckte sehr gut, leicht kartoffelig, leicht süßlich. Nun ja, wie das Süßkartoffeln eben so an sich haben. Sehr angenehm bei dieser Art der Kartoffelsuppe und deshalb hervorzuheben ist auch die Farbe: fast leuchtend orange und nicht, wie das klassische Original, so beige-grau und etwas unattraktiv. Naja, so ähnlich zumindest sieht sie bei uns zu Hause aus.
Alsdann erschienen die üppigen Hauptspeisen. Schweinefilet im knusprigen Schinkenmantel, zusammen mit einer Beilage von Ratatouille und einem Kartoffel-Zwiebel-Püree (13,50 Euro). Angekündigt war laut Karte eigentlich ein Tomatengemüse, aber so wurde es eben das Schmorgemüse aus Paprika, Auberginen, Tomaten und vielleicht noch anderem. Das lässt sich bei der Ratatouille immer so schwer erkennen!
Das Kartoffelpüree war handgemacht, von recht fester Konsistenz und bestreut mit getrockneten Zwiebeln. Die leckeren zarten Lendenstückchen wurden dominiert vom Schinken, geschmacklich, versteht sich.
Eine unwahrscheinlich knusprige Hähnchenbrust lag auf dem zweiten Teller, vor dem Kind (für 12,50 Euro). Leider war sie mit dieser asiatischen süß-scharfen Chilisoße beträufelt, was einerseits gar nicht notgetan hätte und außerdem die zarte kindliche Mundschleimhaut reizte. Aber der Knuspermantel kam dafür ausgesprochen gut an! Dazu gab es Nudeln, die – zum Leidwesen des Kindes – mit jeder Menge frischem Gemüse vermischt waren und einen asiatischen Eindruck vermittelten. Da waren Möhren dabei, Zucchini, Auberginen und Pilze, alles kurz und knackig gegart.
Kein Platz mehr fürs Dessert
Numero drei schließlich war eine mit Tomaten und Mozarella überbackene Hähnchenbrust, die in Linguini – schmalen Bandnudeln –, vermischt mit einer Gemüse-Sahne-Soße, versank (13,20 Euro). Und das war dann leider doch etwas zu viel des Guten, der Käse, die Sahne - selbst der gestählte Männermagen musste da kapitulieren. Hier wäre ein bisschen weniger mehr gewesen.
Als Dessert hätte man ein Stück der sehr verführerischen selbstgebackenen Kuchen wählen können, die im Schlossrestaurant angeboten werden. Aber – und das passiert uns wirklich ausgesprochen selten – es passte absolut nichts mehr hinein in uns! Kein Blättchen! Wir konnten nur noch, leider ziemlich wenig majestätisch, durch die Gartentür nach draußen wanken und uns im weichen Abendlicht für eine Weile auf eine Bank fallen lassen.
Führungen für Interessierte
Thymo von Rauchhaupt und seine Frau Heidrun bieten bei einer Gästezahl ab zehn Personen auch Führungen durch das meistenteils noch unsanierte Schloss an, unabhängig von denen, die an speziellen Tagen stattfinden. „Eine Zeitreise durch alle Kunstepochen“, sagt Thymo von Rauchhaupt, schließlich hat das Schloss aufgrund häufiger Umbauten von allem etwas zu bieten. Der Begriff „Renaissance-Schloss“ trifft es daher nur unzureichend, da sogar noch eine gotische Blockstube zu sehen ist. Übrigens wurde in der Schlosskapelle Händels Mutter getauft, deren Besichtigung – also die der Kapelle – den Höhepunkt der Führung bildet.
Zur Winterzeit kann im Schlossrestaurant gebruncht werden, und das ganze Jahr über finden im Gartensaal – oder auch „Roten Salon“ – Musikveranstaltungen statt. Die im Sommer wiederum in den romantischen Innenhof verlegt werden, der eine hervorragende Akustik zu bieten hat. (mz)
