Schloss Köchstedt Schloss Köchstedt: Moschee nur eine Luftnummer?
Köchstedt/MZ. - Der Berliner Rechtsanwalt Paul Vogel ist entsetzt: "Ich habe heute den Schock meines Lebens bekommen", sagt er. Vogels Kanzlei gehört das Schloss Köchstedt, aus dem - so die Ankündigung von Pächter Stephan Frey - eine muslimische Begegnungsstätte werden soll. "Bei mir hat er sich als Lehrstuhlinhaber für Denkmalschutz vorgestellt, der über Studentenpraktika den Gebäudezustand verbessern will", so Vogel. 2004 habe er einen Mietsanierungsvertrag abgeschlossen.
Saniert worden sei bisher nichts. Statt dessen sei er Ende 2007 durch Medienberichte aufmerksam geworden, dass Frey - der sich selbst Graf von Natterfeld-Zmiewski nennt - dubiose Grafentitel verkauft. "Sie werden vom Grafen als echtes Familienmitglied anerkannt, d.h. Sie erhalten auch das Recht, den Stammsitz der Familie als Ihren auszugeben", hieß es in Anzeigen. Zudem sollte das Schloss für Familienfeiern nutzbar sein. Das indes ist verfallen und verschlossen. Er habe Frey zur Unterlassung aufgefordert, so Vogel. Der "gräfliche" Internetshop ist zwischenzeitlich geschlossen. Mit dem Titelhandel habe er den Erhalt des Schlosses finanzieren wollen, sagt Frey. Und: Auch wenn in Anzeigen von "Titel" die Rede war: "Es war ja kein Titel, sondern ein Ehrenname", räumt er ein. Und eine "Spende" für das Schloss - das habe zwischen den Zeilen gestanden.
Nun kündigte Frey an, mit Eigenmitteln eines Interessenskreises "islamischer Osten" das Schloss in eine muslimische Begegnungsstätte umzubauen, da der Osten in punkto Toleranz "nicht gerade als Paradebeispiel dient" und man Vorurteile abbauen will. Bei islamischen Gemeinden sei man auf großes Interesse gestoßen.
Hiesige Gemeinden aber erfuhren erst aus Medien davon. "Das Thema Islam ist eine gute Brücke, um berühmt zu werden", so der Leipziger Imam Hassan Dabbagh. Auch beim islamischen Kulturcenter Halle waren die Pläne unbekannt. Interesse, sagt Frey nun, habe vor allem im Ruhrgebiet bestanden, die 25 Mitglieder des Interessenskreises - die ein "minimum 700 000 Euro"-Projekt schultern wollen - seien aus ganz Deutschland.
Ob es dazu kommt, scheint offen. Anwalt Vogel erklärte, Anzeige wegen Betruges zu erstatten und eine einstweilige Verfügung zu erwirken, nach der Frey nicht mit Plänen für das zum Verkauf stehende Schloss in die Öffentlichkeit gehen darf. Den Pachtvertrag halte er für nicht mehr wirksam. Frey bestreitet dies und droht seinerseits mit Klage. Auf einem nicht mehr existenten Eintrag auf seiner Internetseite greift Frey den Rechtsanwalt an und erklärt: "No one can stop us now" (niemand kann uns mehr stoppen). Und: "Es wird gekämpft und der Sieger wird am Ende der Idealismus sein. Das Imperium schlägt zurück und das Imperium sind wir!"
Die Aufregung unter den Anwohnern der Köchstedter Siedlung ist derweil groß. "Warum suchen sich die Leute ein kleines, verschlafenes Dorf mit knapp 200 Einwohnern aus, wenn der Verein Aufmerksamkeit auf sich lenken und mit Vorurteilen gegen den Islam aufräumen will?", fragt Marco Wagner. Der 35-Jährige stellt klar, dass es nicht fremdenfeindliche Einstellungen sind, die Ängste schüren. Vor zehn Jahren sei er nach Köchstedt gezogen, "weil es hier so schön ruhig ist". Damit, fürchtet er, könnte es vorbei sein. "Gibt es dann täglich laute Gebete? Oder müssen wir Angst haben, dass es zu Übergriffen und Auseinandersetzungen etwa mit Rechtsextremen kommt?" Mit einer Unterschriftenaktion wollen Anwohner gegen die Pläne vorgehen.
Der Teutschenthaler Bürgermeister André Herzog (parteilos) stellte nach Vorwürfen, die Einwohner nicht informiert zu haben, am Montag klar: "Bis Sonntag habe ich selbst nichts davon gewusst. Erst an dem Tag ist auch ein knappes Fax im Büro eingegangen." Eine Handhabe gegen das Projekt habe er nicht. "Man muss auch beachten, dass wir in Deutschland Religions- und Glaubensfreiheit haben."
Grundsätzlich sei er sehr für Weltoffenheit, so Saalekreis-Landrat Frank Bannert (CDU). "Wir müssen uns auch über Religionen unterhalten, aber es ist nicht zielführend, sich für eine solche Begegnungsstätte einen der kleinsten Orte des Kreises auszusuchen". Das führe zu Konfrontationen statt zu Begegnungen. Bannert widersprach der Darstellung Freys, dass der Kreis über die Umbaupläne informiert sei. In dem Fall müsse eine Nutzungsänderung beantragt werden. "Uns liegen keine Informationen und Anträge vor", so Bannert. Frey erklärte indes, nur die Gemeinde informiert zu haben. "Der Brief war wohl noch nicht angekommen."