Schloss Döbbelin Schloss Döbbelin: Bismarck ohne eiserne Faust
Döbbelin/MZ. - Als sich Alexander von Bismarck kurz nach dem Fall der innerdeutschen Grenze erstmals in Döbbelin blicken lassen durfte, wackelten in dem Dorf bei Stendal die Vorhänge. Im Schutz der Gardinen beobachteten skeptische Altmärker, wie der Großneffe des "Eisernen Kanzlers" neugierig inspizierte, was 40 Jahre DDR vom ältesten Familienbesitz des berühmten Adelsgeschlechts übrig gelassen hatten. In den Augen derer, die ihm beim Antrittsbesuch dann doch über den Weg liefen, konnte der Heimkehrer aus dem Westen die bange Frage lesen: Was wird uns die Ankunft der Herrschaft wohl bringen?
Heute lachen nicht nur die Döbbeliner über die damalige Furcht vor dem Schreckgespenst bismarckscher Rücksichtslosigkeit. "Damals dachten halt viele an die Sozialistengesetze", erzählt Siegfried Röder, der vor der Wende bei einer LPG im Stendaler Umland als Schlosser gearbeitet hatte. Viel mehr sei ja in der Geschichtsschreibung des Arbeiter- und Bauernstaates auch nicht übrig geblieben von der bekanntesten Familie der Altmark.
An diesem Dezembersamstag ist Röder mit der Frau und den beiden Enkeln nach Döbbelin gekommen, um in eigenen Erinnerungen zu kramen. Dem Mann, der vor 14 Jahren auf der Suche nach einem neuen Job nach Niedersachsen umgezogen war, fällt es immer noch leicht, sich im Schloss zurechtzufinden. Nur der Nachwuchs schaut etwas verunsichert, während Großvater erzählt: "Hier war die Post, dort war der Dorfkonsum und dort hinten saß der LPG-Chef."
Die kulturlose Integration des Barockbaus in die Infrastruktur der DDR-Landwirtschaft kann mittlerweile nur noch nachvollziehen, wer die Zeit hautnah miterlebt hat. Den hunderten Gästen, die das Schloss heute Woche für Woche aus aller Herren Bundesländer ansteuern, bietet sich dagegen ein Bild gepflegter Adelstradition.
Zu verdanken ist der Fortschritt in die Vergangenheit dem Mann, der vor knapp 15 Jahren an bewegten Gardinen vorbei auf den verwahrlosten Schlosspark seiner blaublütigen Vorfahren zumarschiert war. Die Skepsis der Döbbeliner ist längst verflogen. Wohl auch deshalb, weil Alexander von Bismarck den wohl nur aus Versehen nie enteigneten Familienbesitz "von Anfang an hinter offenen Toren und Türen" flott machte.
Von dem Kraftakt, über dessen finanzielle Details der 53-Jährige vornehm schweigt, profitierten nicht nur etliche Handwerker des strukturschwachen Landstrichs. Die Touristenströme, die es allein des Schlosses und der über das ganze Jahr geöffneten Verkaufsschau "Weihnachtswelt" wegen nach Döbbelin zieht, verhelfen sieben Angestellten aus dem Dorf direkt und etlichen anderen Altmärkern indirekt zu Lohn und Brot.
Die Sympathien, die der seit dem Jahr 2000 mit der St. Petersburger Bratschistin Irina verheiratete Adelsspross und Großimporteur für Weihnachtsdekoration von den Landsleuten in der alten neuen Heimat erfährt, lassen sich auch an den Döbbeliner Stimmzetteln ablesen. "Ihren Bismarck", der für die CDU im Gemeindeparlament sitzt, haben die Landfrauen und -männer zuletzt mit den meisten Stimmen im Amt bestätigt.