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Balkanroute dicht Schlepper-Banden: Mitteldeutschland im Visier der Schleuser

Von Jan Schumann 31.05.2016, 18:16
In diesem LKW wurden tote Flüchtlinge in Österreich entdeckt. Jetzt rückt Mitteldeutschland ins Visier der  Schleuser.
In diesem LKW wurden tote Flüchtlinge in Österreich entdeckt. Jetzt rückt Mitteldeutschland ins Visier der  Schleuser. APA

Halle (Saale) - Mitteldeutschland droht erneut, durch Flüchtlingsbewegungen in Europa zum Spielfeld für Menschenschlepper-Banden zu werden. Seit Schließung der Staatsgrenzen entlang der Balkanroute im März, auf der im Jahr 2015 Hunderttausende Flüchtlinge via Mazedonien, Serbien und Ungarn in die EU gelangt waren, registriert die Bundespolizei aktuell wieder verstärkte Aktivitäten organisierter Schleuser-Banden.

Das sagt die Polizei über die Schleuser-Mafia

„Nach Monaten stellen wir in den letzten Wochen wieder fest, dass die Schleusungen nach Mitteldeutschland zunehmen“, sagte Markus Pfau, Chef der Inspektion für Kriminalitätsbekämpfung mit Sitz in Halle. „Auch der Handel mit gefälschten Dokumenten hat in den letzten Monaten stark zugenommen.“ Seit den Grenzschließungen entlang der Route blühe das Geschäft wieder.

Die Inspektion in Halle ist für die Bekämpfung organisierter Kriminalität in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zuständig, rund 140 Mann arbeiten unter Pfau.

Warnung bereits im letzten Jahr ausgesprochen

Bereits im vergangenen August hatte er gewarnt, dass sich Mitteldeutschland neben Bayern zum Einfallstor für Schlepper in der Bundesrepublik etabliere. Rund 320 Schleuser ermittelte die Inspektion 2015. Die Schwerpunkte für Zugriffe lagen entlang der A 14 im Großraum Dresden und der A 4 mit dem Grenzübergang nach Polen bei Görlitz. Im August 2015, der zwischenzeitlichen Hochzeit der Schlepperkriminalität, waren laut Bundespolizei täglich bis zu 200 eingeschleuste Flüchtlinge nach Mitteldeutschland gekommen.

Lebensgefährliche Praxis

„Es gibt seit etwa vier, fünf Wochen wieder vermehrt Fälle, in denen Nicht-EU-Bürger in kleinen Transportern über die Staatengrenzen gebracht werden, seitdem die freie Passage der Balkanroute nicht mehr möglich ist“, sagte Pfau. Eine lebensgefährliche Praxis: Im August 2015 hatte ein Fall für Entsetzen gesorgt, in dem mehr als 70 Flüchtlinge in einem Klein-Lkw in Österreich auf der Autobahn erstickt waren. Allein im März 2016 fasste die Bundespolizei in Mitteldeutschland 21 Schleuser, die Zahlen für April und Mai seien noch einmal „deutlich höher“, aber noch nicht abschließend erhoben, so die Polizei.

So viel kassieren die Schlepper von den Flüchtlingen

Für die Schlepper geht es bei den illegalen Transporten um viel Geld. Bis zu 15.000 Euro kassieren die Banden beispielsweise pro Syrer, der sich für die Flucht aus dem Bürgerkriegsland nach Europa entscheidet. Ein passendes Dokumentenpaket - ein gefälschter Pass, eine  Krankenkarte und ein Führerschein - kann rund 5.000 Euro kosten. Das sind derzeit  laut Bundespolizei die Marktpreise.

Schlepperringe operieren aus der Türkei

Die Köpfe der Netzwerke, die illegale Überfahrten über das Mittelmeer organisieren, sitzen laut Pfau in der Türkei, in Griechenland, aber auch in Osteuropa, etwa in Polen. Ein harter Schlag war den Ermittlern im Januar gegen die sogenannten Geisterschiff-Schleuser gelungen: Deutsche und türkische Polizisten sprengten einen Schlepperring, der  rund 1 700 Menschen  über das Mittelmeer nach Griechenland  gebracht hatte  - auf überfüllten, schrottreifen  Frachtschiffen. Nach Razzien in der Türkei und in Deutschland  waren mehrere Syrer festgenommen worden.
Aktuell legt eine Sonderkommission aus deutschen und polnischen Ermittlern den Fokus auf die Schleuserwege, die von Ungarn nach Deutschland führen. Der Freistaat Bayern hatte zuletzt ein Absinken der Schleuser-Fälle gemeldet: Das Innenministerium registrierte im laufenden Jahr 50 Fälle, 2015 waren es noch knapp 2 600. (mz)