Schlagzeilen - ein Jahr danach Schlagzeilen - ein Jahr danach: Erste Babynest im Land
Halle/MZ. - "Natürlich wäre es mir lieber, wenn wir das Babynest gar nicht bräuchten." Doch Schwester Dominika hat sich arrangiert. "Nun ist es da und gut."
Im halleschen Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara fristet die unscheinbare, stählerne Klappe in einem Souterrainfenster ein recht unbedeutendes Dasein. "Die Leute gehen vorbei, und ab und an fehlen auch die Infobriefe, aber es ist ruhig geworden." Es gab andere Zeiten, hektische, "vor allem am Anfang", weiß die Pflegedirektorin des Hauses. Drei-, viermal am Tag schellte das Signal. Ein untrügerischer Hinweis, dass jemand an der Klappe war. Für die 54-Jährige hieß das jedes Mal: "Ich lief sofort hinunter. Es hätte ja ein Kind drin liegen können." Es lag keines drin. Noch nie. Seit das Babynest im katholischen Krankenhaus am 28. Dezember vor einem Jahr eingeweiht wurde. Als erstes im Land.
Ein trauriger Fund gab seinerzeit Anlass, das Nest für ungewollte Babys herzurichten. Im November 2001 ist in der Stadt ein totes Neugeborenes gefunden worden, versteckt unterm feuchten Laub, erfroren. "Machen wir es eben", erinnert sich Schwester Dominika an den Entschluss von damals. "Machen wir es und sehen, was daraus wird." Von einem katholischen Haus, glaubt sie, erwarte man so etwas. Doch darum ging es nicht. "Wir möchten alles tun, diesen Babys eine Lebenschance einzuräumen." Und so lange der Gesetzgeber diese Möglichkeit einräumt…
Seit 27. Juli 2001 gilt ein Erlass des Bundesjustizministeriums, der die Legalität von Babynesten und anonymen Geburten gewährleistet. Es heißt darin, dass Frauen vor der Aufdeckung ihrer Identität sicher sein sollen - wenn sie es wünschen. Damit war das "Verlassen eines Unmündigen" nicht länger unter Strafe gestellt. Die Gegner dieser Regelung argumentieren mit dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung. Babyklappen würden einen Bedarf provozieren, "was sich nicht beweisen lässt", hält die Schwester dagegen. Babyklappen würden der Leichtfertigkeit Tür und Tor öffnen. Wieder dasselbe Argument: "Wir wissen es nicht." Und so schwelt nach wie vor ein Streit zwischen den Befürwortern und den Gegnern von Babyklappen und anonymen Geburten.
Sie verstehe die einen, aber die anderen auch, sagt Schwester Dominika, "weil beide Seiten ein bisschen Recht haben". "Aber wichtiger ist doch, dass ich lebe, bevor ich weiß, woher ich komme, oder?" Einen Ausweg sieht sie nicht. "Babyklappen sind Ansichtssache." Eine zweite gibt es mittlerweile in der Frauenklinik Dessau. "Sinn macht das Angebot nur flächendeckend." Was nichts an ihrer Einstellung ändere: "Schade, dass wir so eine Klappe überhaupt brauchen."