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Schlagerstar Schlagerstar: Kesse Frau Hesse

Von Ralf Böhme 05.04.2013, 10:13
Sängerin Linda Hesse steht am 10.12.2012 in Berlin bei der Vorstellung ihres Debütalbums auf der Bühne der Kleinen Arena im Tempodrom. Sie stellt ihre CD "Punktgenaue Landung" im Rahmen einer exklusiven Albumpräsentation vor ausgesuchten Fans und geladenen Gästen vor.
Sängerin Linda Hesse steht am 10.12.2012 in Berlin bei der Vorstellung ihres Debütalbums auf der Bühne der Kleinen Arena im Tempodrom. Sie stellt ihre CD "Punktgenaue Landung" im Rahmen einer exklusiven Albumpräsentation vor ausgesuchten Fans und geladenen Gästen vor. dpa Lizenz

Halberstadt/Berlin/MZ - Die blonde Strähne wird weggepustet. Das sieht kess aus. Dann greift die junge Frau in die Saiten - mit ziemlich viel Gefühl und einem fröhlichen Lachen. Ihr Augen schauen überhaupt nicht verträumt, eher frech über den Fluss am Haus. Jetzt ist die beste Zeit, um mit einer hellwachen Linda Hesse - Sachsen-Anhalts neuem Stern am Schlagerhimmel - ungestört reden zu können. Die fünf Musiker ihrer Band kommen erst später. Und der Aufnahmetermin im Tonstudio an der Spree beginnt erst in zwei Stunden.

Morgens, erzählt die Sängerin, die in Halberstadt (Harz-Kreis) aufwuchs und jetzt in Berlin lebt, halte es sie nie lange in den Federn. „Um sechs Uhr klingelt meistens der Wecker. Ich bin also wirklich eine echte Frühaufsteherin.“ Das ist ein Zufall, aber der ist durchaus wichtig - und zwar für ganz Sachsen-Anhalt. Denn damit erfüllt die junge Künstlerin eine Bedingung. Das Mädchen mit der bunten Gitarre kann mitreden, wenn es um die Werbekampagne des Landes geht. Das Motto: „Dafür stehen wir früher auf.“

Nicht zufällig gehört die 25-jährige also zur Jury, die unter Vorsitz von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bis zum Sommer - passend zum Slogan - nach dem besten Video sucht. Die Halberstädterin, die ihre Lieder gern mit witzigen Filmschnipseln unterlegt, gilt dabei als Fachfrau in dem Gremium.

Raketenhafter Aufstieg

Wenn der Video-Wettbewerb nur halb soviel Furore macht wie Linda Hesses erster großer Hit, ist dem Land schon viel geholfen. Ihre Single „Ich bin doch kein Mann“ steigt immer noch auf wie eine Rakete. Auf den Video-Kanälen im Internet erreicht das Lied ungeahnten Zuspruch - mehr als 300 000 Interessenten klickten die Mitschnitte an. Auch im Radio avanciert der Song zum am meisten gespielten Schlager der vergangenen Monate. Sender in Ost und West surfen inzwischen auf Lindas Hit-Welle mit. Auch wenn es ihr eigentlich gar nicht so gut gefällt, nennen sie Moderatoren und ihre Fans nun gerne in einem Atemzug mit Helene Fischer und Andrea Berg, die seit Jahren gegeneinander um die Spitze in den Wertungen singen.

„Ich bin ich.“ Das ist der einfache Nenner, auf den es die momentane Single-Frau Linda Hesse bringt. Dahinter steckt aber eine ganze Menge mehr. Der erste Versuch mit einer Mädchen-Band ist gescheitert. Doch ehe sich nun Erfolg eingestellt hat, erzählt sie, musste hart gearbeitet werden. Denn was nutze eine frische Stimme, fragt Hesse, wenn sie unterwegs die Kraft und die Melodie verlassen würde? Oder was helfe eine Traumfigur, wenn sie bei ihren Liedern den Takt nicht halten könne? Und vor allem, was könnten Musik und Text noch retten, wenn der Auftritt nicht authentisch wirken würde?
Die Arbeit an ihren Auftritten hat sich gelohnt. Jetzt liegt ihre erste Maxi-CD „Punktgenaue Landung“ in den Regalen, auf der 13 Titel zu hören sind. Linda Hesse: „Daran war vor zwei Jahren nicht zu denken.“ Manchmal komme ihr alles wie ein Traum vor, aber das Glück meine es wohl nur gut. „Ohne Verbündete geht es nicht.“ Um sie zu finden, um auf sich aufmerksam zu machen, tauche sie überall dort auf, wo sich musikalisch etwas tut - beispielsweise bei der jüngsten Echo-Verleihung.

Dieser Einwurf darf auch als Fingerzeig auf Produzent André Franke verstanden werden. Er ist es, der wegen ihr und mit ihr ein in der Schlagerbranche seltenes Wagnis eingehen will. „Wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen.“ Da müssen nicht nur die Noten mehr als einmal neu gesetzt und arrangiert werden. Auch eine gute Textvorlage verlangt nach dem mühevollen letzten Schliff. Letzten Endes soll es aussehen und klingen, als wäre es ein Lied zum Mitpfeifen, „eine Geschichte, die jeder kennt“, umreißt Franke die gemeinsame Aufgabe.

Gelungen ist das nach Ansicht zehntausender Radio-Hörer auch bei der aktuellen Auskopplung „Komm bitte nicht!“ Im Rhythmus, bei dem jeder mit muss, singt Hesse von einer Frau, der es nach einer Trennung schwer fällt, wirklich einen Schlussstrich zu ziehen. Die besten Ideen, so Franke, stammen nicht aus der Retorte. So habe ihm seine Mitstreiterin von einer Schulfreundin aus dem Harz erzählt, die allein mit ihrem Kind die Höhen und Tiefen des Alltags meistert. Herausgekommen ist ein fast poetisch anmutender Schlager - „Single Mom“.

Weitere Lieder sollen in den kommenden Monaten folgen und Linda Hesse erneut in die Charts katapultieren. Ihr aktueller Hit heißt „D+B+E+A“ und steht für „Du bist ein Arschloch“ nach einem schlimmen Abschied. Der pralle Griff ins Leben, aber ist das noch die gute, alte und heile Schlagerwelt? Auf alle Fälle, sagt Linda Hesse, sei es ein Versuch, die Szene aufzumischen. Und dass dies inzwischen auch das Projekt einer großen Plattenfirma ist, gehöre zu den vielen Glücksmomenten ihrer noch jungen Karriere. Geschenkt gibt es dennoch nichts. „Ich werde nie vergessen, wie ich in Halberstadt die Plakate für mein erstes Konzert entwarf und später auch selbst klebte.“ Schönster Lohn damals: ein mit 250 Leuten gefüllter Rathaussaal. Mütter, Väter, Kinder, Omas, Opas - und, heißt es, sogar der Bürgermeister waren dabei.

Tournee-Start in Halberstadt

Bald ist wieder Konzertalarm. Im Herbst beginnt die erste bundesweite Tournee - Linda Hesse und Band. Start der neuen deutschen Mucke ist, wie könnte es anders sein, in Halberstadt. „Auch wenn ich jetzt Wahl-Berlinerin bin, wird Halberstadt immer meine Heimat bleiben.“ Zwar gebe es dort weder quirlige Show-Agenten, fehlten moderne Studios, suche man die schrill-bunte Musik-Szene vergebens. „Dort steht aber mein Elternhaus.“ Mutter kocht ihr immer noch das Lieblingsessen, Vater repariert wie einst das Fahrrad.
Und es gibt so viele Erinnerungen, etwa an Feten mit den Mitschülern vom Gymnasium oder an ihre ersten Gesangseinlagen zu Geburtstagen - in heimlich geliehenen High Heels.