"Schande" am Reichstag "Schande" am Reichstag: Politiker fordern härteres Vorgehen nach Anti-Corona-Demo

Berlin - Nach teils gewalttätigen Protesten in Berlin gegen die bundesweite Corona-Politik plädieren Politiker aus Sachsen-Anhalt für ein konsequenteres Einschreiten gegen Extremisten. „Dass man versucht, mit Reichskriegsflaggen den Bundestag zu stürmen, ist eine Schande für Deutschland“, sagte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht der MZ. Es sei richtig, mit „entschiedener Härte“ gegen solche Proteste vorzugehen. „Wir sollten auch darüber nachdenken, wie wir künftig mit Demonstrationen umgehen, die erkennbar das Ansehen der Bundesrepublik beschädigen“, sagte der CDU-Politiker am Sonntag.
Teils rechte Demonstranten hatten am Samstag Absperrgitter am Reichstagsgebäude überwunden und waren die Treppen zum Parlamentssitz hinaufgestürmt. Mit Mühe drängten Polizisten die Demonstranten ab. Zuvor hatte die Polizei eine Großdemo mit bis zu 38.000 Teilnehmern aufgelöst, weil Hygieneauflagen nicht befolgt wurden. Neben Rechtsradikalen demonstrierten Reichsbürger, Corona-Leugner, Impfgegner und Familien. Die Polizei nahm etwa 300 aggressive Demonstranten fest.
Das Symbol Reichstag wurde von Chaoten und Extremisten missbraucht
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte das Vordringen von Demonstranten auf die Treppe des Reichstagsgebäudes scharf. Er sagte am Sonntag: „Reichsflaggen und rechtsextreme Pöbeleien vor dem Deutschen Bundestag sind ein unerträglicher Angriff auf das Herz unserer Demokratie. Das werden wir niemals hinnehmen.“
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) unterstrich: „Der Verantwortung, sich bei seinem Protest nicht von Extremisten instrumentalisieren zu lassen, kann sich niemand entziehen.“ Und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte: „Das Reichstagsgebäude ist die Wirkungsstätte unseres Parlaments und damit das symbolische Zentrum unserer freiheitlichen Demokratie. Dass Chaoten und Extremisten es für ihre Zwecke missbrauchen, ist unerträglich.“
Ein ursprüngliches Demoverbot durch die Polizei aufgrund der Corona-Gefahr war vom Oberverwaltungsgericht Berlin gekippt worden. Stahlknecht plädierte dafür, dass die kritischen Erfahrungen vom Samstag bei künftigen Gerichtsentscheidungen einbezogen werden sollten. „Es ist nicht hinnehmbar, dass mithilfe von Freiheitsrechten agitiert wird, um letztlich Freiheiten außer Kraft zu setzen.“
Haseloff: Protest muss in staatlich gesetztem Rechtsrahmen stattfinden
Sachsen-Anhalts Grünen-Vorsitzende Susan Sziborra-Seidlitz sagte hingegen: „Wir haben weniger ein Regel- als ein Umsetzungsproblem“. Das habe die fehlende Polizeistärke am Reichstag gezeigt. „Es war klar, dass Rechtsextreme zu diesen Demos mobilisieren“, kritisierte sie. „Man kann mit einer Demo gewaltbereiter Rechtsextremer nicht genauso umgehen wie mit einfachen Corona-Schwurblern.“ SPD-Fraktionschefin Katja Pähle warnte: „Der vorher angekündigte Angriff aufs Reichstagsgebäude hat belegt, wie ernst die Aufrufe zum Umsturz gemeint sind. Wir müssen gegenüber Machtergreifungsstrategien von rechts noch wachsamer sein und gleichzeitig eine besonnene Politik gegen die Pandemie fortsetzen“ und dabei „jeden Schritt gut erklären“.
Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) verurteilte die aggressiven Szenen am Reichstag. „Mit einer Demokratie sind untrennbar Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit verbunden“, sagte er am Sonntag. „Allerdings müssen sie in einem staatlich gesetzten Rechtsrahmen stattfinden. Solche Ereignisse wie in Berlin sind beschämend und schwer erträglich.“ Ziel müsse es sein, „die Polarisierung gerade auch beim Corona-Thema zu überwinden“. (mz)